Viel oder wenig Stand der Technik in der Beschreibungseinleitung?

Kurt

*** KT-HERO ***
Ich frage mich gerade, ob man eigentlich viel Stand der Technik, oder lieber so wenig wie möglich, in die Beschreibungseinleitung einer Patentanmeldung schreiben sollte.

Denn einmal abgesehen vom Sonderfall USA hat man doch eigentlich nichts davon, wenn man seine ganzen Kenntnisse über den Stand der Technik ungefragt dem Patentprüfer preisgibt?

Was spricht also dagegen, den in der Beschreibungseinleitung angegebenen Stand der Technik auch unter strategischen Gesichtspunkten auszuwählen, sprich unter dem Gesichtspunkt der Erfindungshöhe gegenüber diesem Stand der Technik?

Danke schonmal für Meinungen,

Grüße
Kurt
 

EK

*** KT-HERO ***
Kurt schrieb:
Was spricht also dagegen, den in der Beschreibungseinleitung angegebenen Stand der Technik auch unter strategischen Gesichtspunkten auszuwählen, sprich unter dem Gesichtspunkt der Erfindungshöhe gegenüber diesem Stand der Technik?
Gar nichts. Genauso sollte das auch sein. Und als Merkregel: "Nenne stets nur ein(!) St.d.T.-Dokument."

In diesem Sinne: "Start frei!" für eine spannende Diskussion.
 

grond

*** KT-HERO ***
Kurt schrieb:
Ich frage mich gerade, ob man eigentlich viel Stand der Technik, oder lieber so wenig wie möglich, in die Beschreibungseinleitung einer Patentanmeldung schreiben sollte.
Eine Beschreibung des Standes der Technik ist ein praktischer Ort, um Begriffsdefinitionen unterzubringen und das technische Gebiet zu erläutern. Ansonsten taugt sie aber hauptsächlich dazu, sich selbst ein Bein zu stellen. Das geht von einer Aufforderung des Prüfers, auch tatsächlich ein Dokument zu nennen, in dem dieser angebliche Stand der Technik beschrieben ist (nervig), bis zur Verwendung des genannten Dokumentes im Einspruchsverfahren durch den Einsprechenden, ohne dass das Dokument rechtzeitig in das Verfahren eingeführt worden wäre (eventuell fatal).

Besonders aufpassen sollte man auch bei der Definition der zu lösenden Aufgabe. Für jedes Problem, das man hier nennt, müssen die Merkmale zur Lösung später in den Hauptanspruch, da sie essentiell sind. Hat man also "zuviel versprochen", muss man sich unnötig einschränken. Ein weiterer typischer Fehler ist, zuviele Lösungselemente in die Aufgabe hineinzuschreiben, was negative Auswirkungen auf die Erteilungschancen haben kann.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Danke für die interessanten Beiträge!

Da frage ich mich doch, warum man in vielen Patentanmeldungen zuerst mal seitenlange Ausführungen über diverse Dokumente aus dem Stand der Technik findet.

In jedem Fall verstehe ich euch so, dass man sich bei der Würdigung des Standes der Technik aufs absolute Minimum beschränken, und zudem bei dessen Auswahl Vorsicht/Weitsicht walten lassen sollte.

Danke und Grüße
Kurt
 

EK

*** KT-HERO ***
Kurt schrieb:
Da frage ich mich doch, warum man in vielen Patentanmeldungen zuerst mal seitenlange Ausführungen über diverse Dokumente aus dem Stand der Technik findet.
Nun ja, wenn die Erfindung selbst wenig hergibt und man dennoch zehn Seiten Text benötigt, damit man dem Mandanten zeigen kann, daß man gearbeitet hat, ist es doch schön, wenn man erst einmal ein paar Seiten darüber diktieren kann, wie schlecht der Stand der Technik zur Lösung einer bestimmten Aufgabe geeignet ist.

In diesem Sinne, immer den Daumen schön locker halten ...
 

dutchie

BRONZE - Mitglied
Depends on how well you have done your homework. If you have a good internal search and you know all the prior art, than cite the second closest prior art and ANY SECONDARY DOCS, WHICH COULD BE COMBINED WITH first cpa..

Examiner will than find the closest prior art and do the problem-solution approach from there on, but you are step ahead, explain in your description why the the effects of those secondary docs are different from the effect in your invention.

Anyway: be fair: if you have copending US application there is nothing easier than to go for PAIR and see what is there in IDS.


My rule of the thumb (if I only roughly know the prior art) is: take a look at how many documents are normaly cited in search reports of the similar applications and cite 2 or 3 less - search examiners need to have some work also.....
 

Patato

Vielschreiber
Wieso eigentlich der Eiertanz? Wenn ich den Stand der Technik schön brav angebe (natürlich ohne grosses Blabla), meinen Anspruch 1 sauber in alle Richtungen abgrenze, und der Recherchenprüfer dann genau diese Dokumente zitiert (vielleicht sogar noch mit "A"), was will ich denn mehr?

Klar, für den Problem-Solution-Approach braucht es nur ein einziges Dokument, nämlich den nächstliegenden Stand der Technik. Wenn ich sicher bin, dass ich das kenne, gebe ich es an, gut. Aber manchmal bewegt man sich ja in einem Spannungsfeld mehrerer Dokumente. Da kann es doch für alle Beteiligten ganz sinnvoll sein, wenn sie nachvollziehen können, warum man seinen Anspruch 1 nicht noch 1000mal breiter gefasst hat...

Von Versteckspielen, wie sie Dutchie vorschlägt, halte ich gar nichts. Da kann ich ja noch nicht mal einen anständigen zweiteiligen Anspruch formulieren. Ich kenne beide Seiten, auch die des Prüfers, und bin der Meinung, dass man mit Ehrlichkeit und Offenheit sogar in unserem Beruf ;-) immer noch am Besten fährt. Prüfer sind im Übrigen auch froh, wenn sie mit gutem Gewissen gleich erteilen können, das ist ein billig verdienter Punkt...
 

ThomasF

Vielschreiber
Hi,
Ich darf Patato zustimmen. Außerdem sehe ich das anlassbezogen. Geht es um eine FTO-Anmeldung und ich möchte nur Stand der Technik schaffen, in einem Thema, in dem unser Wettbewerber schon einiges angemeldet habe nenne ich auch schon mal zehn Druckschriften und Kataloge usw.

Habe auch den Eindruck, dass die Nennung von wirklich relevanten Druckschriften mit schlüssiger Auseinandersetzung den Rechercheur davon abhält noch viel Arbeitszeit in die Akte zu investieren. Habe auch selten erlebt, dass ein im Stand der Technik bereits genanntes Dokument im Einspruchsverfahren zu Schwierigkeiten führt.

Es kommt hinzu, dass ich bei einigen FTO-Anmeldungen den Erfinder (der nichts erfunden hat, aber den Geschäftsführer jeden Tag wegen seiner unmittelbar bevorstehenden Nobelpreis-Verleihung anruft) mal wieder etwas erden muss.

Das Einarbeiten von Stand der Technik, der mir sowieso bekannt ist zu einem späteren Zeitpunkt macht sehr viel mehr Arbeit. Wenn ich die DE XY kenne, schaue ich kurz nach, wo die schon mal genannt wurde und kopiere mir den Textabschnitt aus DePaRom. Cut & Paste fertig.

Meine Meinung
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich finde dieses ganz "ich weiß was, was Du nicht weißt, verrat es aber nicht" in Bezug auf den in der Beschreibungseinleitung genannten Stand der Technik ziemlichen Unsinn. Von einer Merkregel "Nenne nur ein (!) SdT-Dokument" habe ich noch nie gehört und halte derartige selbstauferlegte Dogmen auch für Unsinn. Es gibt auch andere derartiger Dogmen wie "eine gute Anmeldung hat nie mehr als 10 Ansprüche" (weil man sich sonst offenbar nicht hinreichend auf das wesentliche konzentriert hat) oder "zu jedem Vorrichtungsanspruch gehört auch ein Verfahrensanspruch" oder "je abstrakter, desto besser", oder, oder, oder ...

Ich muss regelmäßig Patente, die ich anmelde, gegen Dritte durchsetzen und verteidigen. Dann nützt es mir am Ende des Tages gar nichts, Stand der Technik nicht in der Beschreibungseinleitung genannt zu haben. Der Gegner wird mir diesen Stand der Technik auf's Brot schmieren, ob er nun in der Beschreibungseinleitung steht oder nicht.

Außerdem: Sicher ist es so, dass in Europa Stand der Technik, der im Prüfungsverfahren berücksichtigt wurde, für einen späteren Rechtsbeständigkeitseinwand nicht in dem Maß "verbrannt" ist, wie es vielleicht in den USA oder anderen Ländern der Fall ist. Aber die Gerichte und sogar die Einspruchsabteilungen sind schon in gewissem Umfang empfänglicher für Gründe, die einen Anspruch gegenüber einem bestimmten Stand der Technik als erfinderisch erscheinen lassen, wenn der Erteilungsbeschluss unter Berücksichtigung dieses Standes der Technik ergangen ist.

Vielleicht ist das Ganze auch eine Frage der Anmeldephilosophie oder sogar nur Geschmackssache.

Richtig ist sicher, das man sich auf die wesentlichen Stand der Technik Dokumente konzentrieren und es vermeiden sollte, unnötig in Breite zu gehen. Ich fasse oft Stand der Technik Dokumente zusammen, die ein Problem, dem sich die von mir anzumeldende Erfindung widmet, anders und auf eine Weise lösen, von der ich mich zusammenfassend abgrenzen kann. Nach dem Motto:

"Grundsätzlich bekannt ist eine Ausführung einer Vorrichtung wie im Oberbegriff angegeben aus Dokumenten DE1, US2, EP3, KR4 und FR5. Eine derartige Ausführung hat allerdings die Nachteile, dass ... Einen anderen Ansatz zur Lösung desgleichen Problems, bei dem dies und das anders gemacht wird, verfolgen die Dokumente AT6, DE 7 und US 8. Aber auch diese Ansätze haben die Nachteile, dass ... Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Erfindung, ..."

Dann habe ich in wenigen Zeilen 8 SdT-Dokumente gewürdigt und (hoffentlich) auf den Punkt gebracht.

Wichtig ist meiner Meinung nach, sich die Zeit zu nehmen und zu erarbeiten, worauf es in Abgrenzung auf den Stand der Technik, der einem bekannt ist, letztlich wirklich ankommt (von Stand der Technik, den ich nicht kenne, kann ich mich ja sowieso nicht abgrenzen). Das ermöglicht einem dann, sich in der Beschreibungseinleitung kurz zu fassen und die Sache ohne viele Worte zusammenzufassen.

Am Ende entscheidend ist meiner Ansicht nach, das Beste aus dem Stand der Technik den man kennt, für die Abgrenzung der anzumeldenden Erfindung herauszuholen, und sich in der Beschreibungseinleitung auf den Stand der Technik zu konzentrieren, auf den es auch wirklich ankommt. Wenn es nur ein Dokument ist, dann ist das gut. Wenn es fünf oder sogar zehn sind, dann ist es genauso gut, solange die Erwähnung jedes Dokuments auch inhaltlich wirklich seine Berechtigung hat.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Man verbaut sich mit der Nennung eines Dokuments in der Einleitung jedenfalls regelmäßig das Argument, dass der Fachmann das Dokument niemals herangezogen hätte, da es auf einem "völlig" anderen Gebiet der Technik liegt.


Andererseits habe ich auch öfter gesehen, dass in der Einleitung genannter S.d.T vom Prüfer "ignoriert" wird und die Patentfähigkeit daher auf der Basis von vom Prüfer recherchierten aber letztlich fernliegenderem S.d.T. diskutiert wird, was natürlich gut für den Anmelder ist.
 

Fragender

GOLD - Mitglied
Da kann man lange sicher diskutieren, was für den Anmelder am Besten ist...

Als Prüfer möchte ich daran erinnern, dass man im (deutschen) Verfahren verpflichtet ist, allen relevanten Stand der Technik zu nennen (§ 10 Abs. 2 PatV, § 34 Abs. 7 PatG, §124 PatG). Wenn kein SdT genannt wird (oder offensichtlich unsinniger) fällt das schon mal negativ auf. Wenn - wie oben empfohlen - der zweitbeste SdT genannt wird und der viel bessere nicht, ist der Prüfer schnell richtig negativ gestimmt (im Sinne von: die wissen wie gut ihre frühere Anmeldung ist und versuchen ihn zu verstecken...). Ich kenne Kollegen die dann gleich die Stelle im Schulte mit "Patenterschleichung" nennen.

Ich würde empfehlen: wer ein bestandskräftiges Patent möchte, nennt auch den ihm bekannten SdT (evtl. gibt es dann deswegen eine Zurückweisung, aber die ist immer noch besser als die Niederlage im Einspruch oder gar der Nichtigkeit). Wer nur ein "Stapelpatent" haben will, das er niemals durchsetzen will und das auch für die Firma ansonsten irrelevant ist, nennt was er will oder auch gar nichts - ist dann ja eh egal...
 
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