Sachmängelhaftung / Schutzrechte Dritter

pak

*** KT-HERO ***
Im Nachgang zu dem Beitrag "AGBs und Schutzrechte Dritter":

Sachverhalt: (chronologisch)

  • Patentanmeldung durch P angemeldet und veröffentlicht
  • K kauft Produkt von V, wobei das Produkt nicht in den Schutzbereich der eingereichten Ansprüche der Patentanmeldung fällt
  • Patentanmeldung führt zur Erteilung, wobei das gekaufte Produkt nun in den Schutzbereich der erteilten Ansprüche des Patents fällt
  • K, der die Produkte noch nicht vollständig weiterverkauft hat, wird daraufhin durch P abgemahnt etc. und ist letztlich gezwungen, die verbleibenden Produkte zur Vernichtung herauszugeben
Fragen:

  • Hat der V schuldhaft gehandelt, da dieser die anhängige Patentanmeldung und den evtl. erzielbaren Schutzbereich hätte kennen müssen?
  • Kann der K aufgrund eines solchen Sachmangels des verkauften Produkts Schadensersatz von V fordern? (Ich glaube, hier sollte es richtigerweise Rechtsmangel heißen, oder?)
Gruß

pak
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Hier war laut dem anderen Thread noch wesentlich, dass der V das Produkt von einem deutschen Herstelle als Zwischenhändler erworben hat.

Wahrscheinlich reichen diese Informationen trotzdem noch nicht für eine vernünftige Analyse. Aber weil ich es gerade gelesen habe, zitiere ich hier gleich mal aus GRUR 2009, 240, "Konzernhaftung bei Patentverletzung durch die Tochtergesellschaft", Carmen Buxbaum (für die Fussnoten siehe ebenda):

"Soweit der Bezug der Mobilfunktelefone von inländischen Unternehmen erfolgte, geht es bei der Frage nach dem Umfang der Prüfungspflicht um die Funktion der Beklagten als Zwischenhändlerin. In diesem Zusammenhang dürften - unabhängig von den im Einzelfall jeweils zu berücksichtigenden Besonderheiten - noch einige Fragen ungeklärt sein. So hat die Rechtsprechung angenommen, dass grundsätzlich auch ein Großhändler ebenso wie ein Hersteller und Importeur verpflichtet sei, darüber zu wachen, dass die von ihm vertriebenen Erzeugnisse nicht in fremde Schutzrechte eingreifen11. Eine Ausnahme ist jedoch für Erzeugnisse gemacht worden, die als umsatzmäßig unbedeutende "Mitgehartikel" aus dem eigentlichen Geschäftsprogramm des Händlers herausfallen12. Vor dem Hintergrund der Anerkennung der Bereicherungshaftung im Patent- und Gebrauchsmusterrecht durch den BGH, mit der auch einer Überdehnung der Sorgfaltsanforderungen gegengesteuert werden sollte13, hat das LG Düsseldorf weitergehend angenommen, dass auch ein Warenhausunternehmen, das mit einer Vielzahl von Einzelartikeln handelt, ohne besonderen Anlass nicht prüfen müsse, ob die von einem inländischen Hersteller bezogene Ware Schutzrechte Dritter verletzt; es könne sich darauf verlassen, dass der inländische Hersteller die Schutzrechtslage beachte14. Dies ist dahin verallgemeinert worden, dass ein nicht spezialisierter Händler beim Einkauf von einem inländischen Lieferanten sich darauf verlassen dürfe, dass dieser die Schutzrechtslage geprüft und beachtet habe, wenn keine besonderen Umstände eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangten15. Der BGH hat in der Entscheidung "Melanie" offengelassen, ob im Sinne der älteren Rechtsprechung der (nicht importierende) Händler ähnlichen Prüfungspflichten wie der Hersteller unterliegt. Er hat aber - und hierin dürfte der Unterschied zu den nach der Entscheidung "Strickwarenhandel" abgeschwächten Sorgfaltsanforderungen liegen - von dem Händler verlangt, dass er sich jedenfalls bei seinen Lieferanten vergewissert, dass die notwendige Prüfung zumindest einmal in der Vertriebskette mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist16."
 

grond

*** KT-HERO ***
pak schrieb:
1. Hat der V schuldhaft gehandelt, da dieser die anhängige Patentanmeldung und den evtl. erzielbaren Schutzbereich hätte kennen müssen?
Schuldhaft wofür? Bevor das Patent nicht erteilt war, durfte er ja die Gegenstände verkaufen, dem Inhaber der Anmeldung stand lediglich der Entschädigungsanspruch aus §33 PatG zu, wenn V Kenntnis hatte oder hätte haben müssen (also nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit!). Nicht zu wissen, worauf sich das erteilte Patent einmal beziehen würde, oder gar die Patentanmeldung nicht ermittelt zu haben, würde ich jedoch nicht als grobe Fahrlässigkeit ansehen.


2. Kann der K aufgrund eines solchen Sachmangels des verkauften Produkts Schadensersatz von V fordern?
Der Vertrag war offenbar bereits durch Lieferung der Waren erfüllt, ansonsten wäre das plötzlich durch die Patenterteilung eingetretene Verbot, die Gegenstände zu verkaufen, eine nachträgliche Unmöglichkeit, denn V kann den Vertrag nicht mehr erfüllen. Für die Mängelhaftung ist es ansonsten meiner dämmrigen Erinnerung nach erforderlich, dass der Mangel bereits beim Gefahrübergang wenigstens im Keim vorhanden war. Das war er hier nicht.

Hat V eine Garantie für die Waren übernommen? Eine allgemeine gesetzliche Gewährleistungsfrist zwischen Kaufleuten gibt es ja wohl nicht. Blieben nur noch die vertraglichen Nebenpflichten aus §241(2) BGB. Soll heißen: hätte der Verkäufer V den K auf die Patentanmeldung hinweisen müssen? Hätte er bestimmt, wenn er Kenntnis von ihr gehabt hätte. Das zu beweisen dürfte aber nur in sehr lebensfremden Fällen möglich sein...
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Für die Mängelhaftung ist es ansonsten meiner dämmrigen Erinnerung nach erforderlich, dass der Mangel bereits beim Gefahrübergang wenigstens im Keim vorhanden war. Das war er hier nicht.

Hat V eine Garantie für die Waren übernommen? Eine allgemeine gesetzliche Gewährleistungsfrist zwischen Kaufleuten gibt es ja wohl nicht.
Maßgebender Zeitpunkt für den Rechtsmangel ist der Erwerb und nicht der Abschluss des Vertrages (so vertritt es der Palandt).

Die Frage ist also, ob der V hier eine entsprechende Sorgfaltspflicht hatte. Dann wäre ich vorsichtig mit der Aussage, dass Unkenntnis der Patentanmeldung nicht grob fahrlässig ist. Hier wird z.B. ein Bewußtsein der Gefährlichkeit der Handlung vorausgesetzt. Es kann aber bei einem Nichterkennen eines leichtfertigen Umgangs darauf verzichtet werden. Ebenso betreffend der späteren Ansprüche. Hier kann man argumentieren, dass eine solche Änderung im Erteilungsverfahren immer möglich ist. Es kommt m.E. wiederum auf den Masstab für die Sorgfalt an dieser Stelle an, ob dies grob fahrlässig ist. Das sollte unbedingt ein Rechtsanwalt beurteilen. Tendenziell würde ich aber eher zustimmen, dass dies meist nicht grob fahrlässig ist.
 

Hildchen

BRONZE - Mitglied
Ich habe hier ein allgemeines Verständnisprolbem.

Wie kann etwas zuerst nicht unter den Schutzbereich einer Patentanmeldung fallen, dann aber, wenn der Schutzbereich enger ist, schon.

Entweder etwas fällt unter den breiteren Schutzbereich, dann kann es auch u.U. unter den engeren Schutzbereich fallen,
aber umgekehrt wäre mir nichts bekannt.

Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen!

Das Hildchen
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Hildchen schrieb:
Wie kann etwas zuerst nicht unter den Schutzbereich einer Patentanmeldung fallen, dann aber, wenn der Schutzbereich enger ist, schon.
Es steht doch hier gar nichts von einem enger werdenden Schutzbereich? Der Schutzbereich kann doch durch Änderung der Ansprüche in einer Anmeldung auch breiter werden oder sogar Bereiche erfassen, die durch Verbreiterung gar nicht erreichbar sind.

Simples Beispiel: Ursprünglich ist nur ein Löffel beansprucht. Dann kann ich doch im Erteilungsverfahren u.U. Besteck beanspruchen, wenn die Offenbarung das hergibt. So kann ich den Anspruch verbreitern.

Eventuell erlaubt mir die Offenbarung ohne Probleme mit der Einheitlichkeit sogar, auch noch eine Vorrichtung zur Herstellung des Löffel zu beanspruchen. Das ist dann keine Verbreiterung mehr.

Inwieweit es dann grob fahrlässig ist, als Händler von Vorrichtungen zur Löffel-/Besteckherstellung die Anmeldung zu kennen und dann noch zusätzlich einzuplanen, dass die Ansprüche so erweitert werden könnten, ist schwer zu sagen. Bzgl. der Ansprüche wird es wohl stark an den eventuellen Erteilungsaussichten hängen.

Bzgl. der Anmeldung kommt es wohl darauf an, ob es schon grob fahrlässig ist, wenn der Händler sich nicht bei seinen Lieferanten (also dem deutschen Hersteller)vergewissert, dass die notwendige Prüfung zumindest einmal in der Vertriebskette mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist.
 

pak

*** KT-HERO ***
Hildchen schrieb:
Wie kann etwas zuerst nicht unter den Schutzbereich einer Patentanmeldung fallen, dann aber, wenn der Schutzbereich enger ist, schon.
Hallo Hildchen,

im vorliegenden Fall waren die eingereichten Ansprüche derart formuliert, dass man bei einer Erteilung derselben davon ausgehen konnte, dass das Produkt nicht unter die Ansprüche fällt.

Im Erteilungsverfahren wurden die Ansprüche - gestützt durch die Offenbarung - dann derart geändert, dass das Produkt unter die erteilten Ansprüche fällt. Dies ist insofern unproblematisch, als dass das Prüfungsverfahren ja gerade der Festlegung des Schutzbereiches dient.

Die Frage ist jedoch, ob der V in dem obigen Beispiel mit einem solchen Schutzbereich hätte rechnen müssen ...

Gruß

pak
 
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