Ausscheidung

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Hallo,

falls ein Patentanspruch uneinheitlich ist, kann, zumindest im Prüfungsverfahren, Ausscheidung erfolgen (siehe Schulte 7.Auflage §34 Rd 264).
Wie lange ist das möglich? Auch im Nichtigkeitsverfahren wenn der führende Anspruch fällt?

Für mich gilt erstmal bis zum Ende des Prüfungsverfahrens, aber nichts genaues weiß man nicht.

LG
Alex
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
Keine Ausscheidung im Nichtigkeitsverfahren, Schulte 8. Aufl. § 34 Rdnr. 268 ("Ist ... bereits ein Erteilungsbeschluss wirksam geworden, dann kann nicht mehr ausgeschieden werden ...").
 

Horst

*** KT-HERO ***
Soweit ich mich erinnere, kann die Ausscheidung bis zum Wirksamwerden des Erteilungsbeschlusses - also bis zu dessen Abgabe an die Poststelle - vorgenommen werden. Im Gegensatz zur Teilung, die ich bis zum Ende der Rechtsmittelfrist vornehmen kann.

Aber ehrlich gesagt habe ich vor dem DPMA noch nie eine Ausscheidung gemacht. Immer Teilung und anschließend(!) Verzicht auf die entsprechenden Teile in der Stammanmeldung.

Hat jemand schonmal "echt" ausgeschieden? An einer Kopie des entsprechenden Schriftwechsels hätte ich mal Interesse. Das habe ich nämlich noch nie gesehen.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Jedoch kommt kein Erteilungsbeschluss, solange noch nicht ausgeschieden wurde. Denn: Einer Ausscheidung geht immer eine beanstandete Unheitlichkeit voran, die ausschließlich durch die Ausscheidung selbst beseitigt werden kann. Erst danach kann erteilt werden.

In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass einige Prüfer meinen, eine bloße Teilung allein reiche nicht zur Beseitigung der Uneinheitlichkeit.
 

Horst

*** KT-HERO ***
In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, dass einige Prüfer meinen, eine bloße Teilung allein reiche nicht zur Beseitigung der Uneinheitlichkeit.
Es reicht beim DPMA auch nicht. Man muss ausscheiden (materiell aufspalten) oder verzichten. Teilung und bloßes Streichen einer zweiten Erfindungsgruppe alleine hält einem ja die Möglichkeit offen, die zweite Erfindungsgruppe zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder aufzunehmen.

Deswegen teile ich auch immer vorher. Meines Erachtens ist ein kommentarloses Streichen von Ansprüchen vor dem Hintergrund einer beanstandeten Uneinheitlichkeit durch das DPMA durchaus als Verzicht auszulegen.

Allerdings stammt diese ganze Ausscheidungspraxis aus Rechtsprechung vor 1981. Bisher wurde sie leider nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil noch schön gegenüber der Teilung abgegrenzt. Meines Erachtens ist sie aber ein Relikt, das ruhig der Verfahrenspraxis des EPA weichen könnte (natürlich mit weniger Einheitlichkeitsbeanstandungen).
 

Kask

GOLD - Mitglied
Ich empfehle Benkard, §34 Rn 111ff und PrüfungsRiLi 2004 Nr. 3.3.3.4
Ausscheidung = einvernehmliche Teilung, initiiert vom Prüfer mit Drohung der Zurückweisung oder vom Anmelder mit Zustimmung des Prüfers. Teilung bei beanstandeter Uneinheitlichkeit wird in aller Regel als Ausscheidung aufgefasst.

Kask
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Meines Erachtens ist ein kommentarloses Streichen von Ansprüchen vor dem Hintergrund einer beanstandeten Uneinheitlichkeit durch das DPMA durchaus als Verzicht auszulegen.
Nein, per Auslegung zu einem Verzicht zu gelangen ist nicht möglich ("a jure nemo recedere praesumitur": "es darf von niemandem angenommen werden, von einem Recht abstandzunehmen").

Zum eigentlichen Thema: mir wurde eingebläut, dass Ausscheiden und Verzicht Dinge sind, die kein Anwalt jemals tun sollte. Es sollte immer geteilt werden. Auch scheint mir der Verzicht selbst nach dem Teilen, wie von Horst vorgeschlagen, höchst problematisch zu sein, denn auch wenn der Verzicht eine Handlung mit materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Doppelnatur und somit theoretisch anfechtbar ist (ohne schuldhaftes Zögern usw.), hat er eben doch materielle und somit absolute Wirkung. D.h. der Anmeldungsgegenstand, auf den verzichtet wurde, ist futsch, auch in dem Verfahren der Teilungsanmeldung. Das mag dem Prüfer der Teilungsanmeldung nicht klar sein, ein mutmaßlicher Verletzer wird aber genauer die Akten studieren.

Die Erklärung eines Verzichts ist m.E. auch gar nicht notwendig, da nach Herstellen der Einheitlichkeit dem Erteilungsbeschluss nichts mehr entgegen stehen sollte. Wird aber Erteilung beschlossen, kommt es ja zur Zäsurwirkung der Erteilung und der Rückweg zu den uneinheitlichen Teilen ist ohnehin abgeschnitten, auch ganz ohne Verzicht.

Ich stimme Horst jedoch insofern zu, dass die Ausscheidung eigentlich nur noch eine Existenzberechtigung als Falle besitzt und ansonsten ein vollkommen überflüssiges Relikt vergangener Tage ist.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Nein, per Auslegung zu einem Verzicht zu gelangen ist nicht möglich ("a jure nemo recedere praesumitur": "es darf von niemandem angenommen werden, von einem Recht abstandzunehmen").
Vollkommen richtig. Fraglich wird aber noch sein, ob die gestrichenen/weggelassenen Ansprüche nicht eine explizite Verzichtserklärung darstellen (im Sinne von: "Streichung nach Beanstandung bedeutet eindeutig Verzicht").

D.h. der Anmeldungsgegenstand, auf den verzichtet wurde, ist futsch, auch in dem Verfahren der Teilungsanmeldung.
Doch nur, wenn man vor Teilung verzichtet. Wurde erst geteilt, kann die Erklärung in dem Stammverfahren keine Auswirkung auf das andere Teilverfahren haben.

Die Erklärung eines Verzichts ist m.E. auch gar nicht notwendig, da nach Herstellen der Einheitlichkeit dem Erteilungsbeschluss nichts mehr entgegen stehen sollte. Wird aber Erteilung beschlossen, kommt es ja zur Zäsurwirkung der Erteilung und der Rückweg zu den uneinheitlichen Teilen ist ohnehin abgeschnitten, auch ganz ohne Verzicht.
Streng genommen müsste der Prüfer den Anmelder aber auf einem Verzicht festnageln. Sonst könnte man doch folgendermaßen vorgehen: Anmeldung mit A(Fahrrad) und B(Flummi). Prüfungsverfahren nach Beanstandung mit Ansprüchen auf A, ohne Verzicht auf B. Nach eingehender Diskussion und (gerechtfertigter) Zurückweisung lege ich Beschwerde ein und mach mit einem auf B gerichteten Anspruchssatz weiter.

Irgendwie braucht man ja bei Uneinheitlichkeit eine Sperre. Beim EPA gibt es dann die nicht-recherchierten Gegenstände, die ich nicht ins Prüfungsverfahren bekomme. Beim DPMA müsste man entsprechend ausscheiden oder verzichten (nach gegenwärtiger Lage und bei konsequenter Handhabung).
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
D.h. der Anmeldungsgegenstand, auf den verzichtet wurde, ist futsch, auch in dem Verfahren der Teilungsanmeldung.
Doch nur, wenn man vor Teilung verzichtet. Wurde erst geteilt, kann die Erklärung in dem Stammverfahren keine Auswirkung auf das andere Teilverfahren haben.
Nein, gerade nicht. Es kommt sehr stark auf die Wortwahl an. Wenn Du schreibst, dass der Gegenstand der gestrichenen Ansprüche in diesem Verfahren nicht mehr weiterverfolgt wird, dann ist das eine reine Verfahrenshandlung und absolut in Ordnung. Wenn Du aber auf den Gegenstand der Ansprüche verzichtest, hat diese Erklärung auch materiellrechtliche Natur: Du beansprucht den Gegenstand nicht mehr. Und zwar absolut. Wenn es sich nicht um den akademischen Fall einer anfechtbaren Verzichtserklärung handelt, deren Voraussetzung die materiellrechtliche-verfahrensrechtliche Doppelnatur ist, gibt es keinen Ausweg aus dem Verzicht mehr (1. Schulbeispiel: ich halte zwei Patente in Händen und hebe das falsche hoch, während ich sage: "ich verzichte auf das Patent!", 2. Schulbeispiel: ich vertausche in einer schriftlichen Verzichtserklärung die Patentnummern). Solltest Du also das böse Wort benutzt haben, dann hoffentlich wenigstens im Zusammenhang mit "im Rahmen dieses Verfahrens" oder so.


Streng genommen müsste der Prüfer den Anmelder aber auf einem Verzicht festnageln. Sonst könnte man doch folgendermaßen vorgehen: Anmeldung mit A(Fahrrad) und B(Flummi). Prüfungsverfahren nach Beanstandung mit Ansprüchen auf A, ohne Verzicht auf B. Nach eingehender Diskussion und (gerechtfertigter) Zurückweisung lege ich Beschwerde ein und mach mit einem auf B gerichteten Anspruchssatz weiter.
Was soll denn daran so schlimm sein? Angesichts von Prüfern, die befanden, dass Unteranspruch X uneinheitlich zu Unteranspruch Y sei, weil die Unteransprüche unterschiedliche zusätzliche Merkmale beträfen (hört, hört!), würde ich mir sowieso von keinem Prüfer vorschreiben lassen, worauf ich zu verzichten habe. Der Prüfer als Behördenvertreter hat allein darüber zu befinden, ob ein Antrag vorliegt, dem stattzugeben ist oder nicht.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Ich kann doch nur auf einen bestimmten Anspruch verzichten. Vorliegend auf den Anspruch auf Patenterteilung nach § 49 I PatG aus einer bestimmten Anmeldung.

Der Verzicht wirkt ex nunc. Nach dem Verzicht erfolgte Teilungen sind also nicht wirksam, da der verzichtete Teil nicht mehr in der Stammanmeldung enthalten ist. Vor dem Verzicht bewirkte Teilungen schaffen eine neue Anmeldung mit einem neuen Anspruch auf Patenterteilung. Ich sehe nicht, wie ein dann in der Stammanmeldung (erster Anspruch) erklärter Verzicht auf die Teilanmeldung (zweiter Anspruch) ausstrahlen soll (es sei denn, ich erkläre es ausdrücklich unter Nennung der zweiten Anmeldung). Wahrscheinlich insgesamt wieder eine Auslegungsfrage. Die Hürde, einen in einer Anmeldung erklärten Verzicht auf alle Anmeldungen mit gleichen Gegenständen auszudehnen, halte ich jedoch für sehr hoch. Grundsätzlich ist wohl anzunehmen, dass im Rahmen eines Verfahrens abgegebene Erklärungen nur auf in dem Verfahren in Streit stehende Rechte, Ansprüche usw. beziehen.


Einen Verzicht wird man sich immer dann vorschreiben lassen müssen, wenn ansonsten eine Zurückweisung nach § 34 V PatG droht. Demnach muss nämlich die Anmeldung (nicht nur die Ansprüche) einheitlich sein. Und eine Streichung vor diesem Hintergrund wird (noch) als Verzicht gewertet (Rechtsprechung nach altem PatG, keine neuere bekannt).


Insofern habe ich zwar (natürlich) nie das böse Wort benutzt (macht man halt einfach nicht), aber ich kann mir vorstellen, dass trotz allem selbst bei "kommentarlosem Verschwinden" von Ansprüchen ein Verzicht vorgelegen hat.
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Ich kann doch nur auf einen bestimmten Anspruch verzichten. Vorliegend auf den Anspruch auf Patenterteilung nach § 49 I PatG aus einer bestimmten Anmeldung.
Der Anspruch auf Erteilung eines Patentes ergibt sich aus §1 (1) PatG. Darauf kannst Du verzichten, z.B. konkludent, indem Du keinen Antrag stellst, oder ausdrücklich, indem Du in einem Erteilungsverfahren den Verzicht erklärst. Dann hast Du die Erfindung aber aufgegeben, nicht nur für ein bestimmtes Erteilungsverfahren. Wenn sich der Verzicht nur auf das Weiterverfolgen in dem Verfahren bezieht (siehe mein vorheriger Beitrag), dann ist das kein Problem, allerdings sollte man dann lieber eine andere Vokabel nehmen und ansonsten explizit klarstellen, dass die Handlung nur für dieses Verfahren gelten soll.


Ich sehe nicht, wie ein dann in der Stammanmeldung (erster Anspruch) erklärter Verzicht auf die Teilanmeldung (zweiter Anspruch) ausstrahlen soll (es sei denn, ich erkläre es ausdrücklich unter Nennung der zweiten Anmeldung).
Es ist genau umgekehrt: die Beschränkung des Verzichts auf das jeweilige Verfahren muss ausdrücklich sein.


Einen Verzicht wird man sich immer dann vorschreiben lassen müssen, wenn ansonsten eine Zurückweisung nach § 34 V PatG droht. Demnach muss nämlich die Anmeldung (nicht nur die Ansprüche) einheitlich sein.
Warum? Ich kann doch die uneinheitlichen Teile auch in der Beschreibung streichen bzw. als nicht zur Erfindung gehörig kennzeichnen?


Und eine Streichung vor diesem Hintergrund wird (noch) als Verzicht gewertet (Rechtsprechung nach altem PatG, keine neuere bekannt).

Insofern habe ich zwar (natürlich) nie das böse Wort benutzt (macht man halt einfach nicht), aber ich kann mir vorstellen, dass trotz allem selbst bei "kommentarlosem Verschwinden" von Ansprüchen ein Verzicht vorgelegen hat.
Da bin ich komplett anderer Auffassung. Ich habe das auch so in Erinnerung, dass ein Streichen von Ansprüchen eben gerade kein Verzicht ist, weil ein Verzicht "durch Auslegung" nicht möglich ist.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Demnach muss nämlich die Anmeldung (nicht nur die Ansprüche) einheitlich sein.
1.) Allerdings ist Streichen von Beschreibungsteilen kein Verzicht und würde einer Ausscheidung nicht genügen. Auch nach Erteilung kann das Patent (zum Beispiel im Einspruch) geändert werden, wobei auf den gesamten Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zurückgegriffen werden kann. Klingt komisch, ist aber so. Auf Offenbarungsgehalt kann nicht verzichtet werden, jedoch auf Weiterverfolgung bestimmter Ansprüche oder auch auf ganze Gegenstände, wodurch ein Loch in den Schutzumfang"gestanzt" wird. Inhalt und Schutzumfang sind verschiedene Dinge.

2.) Ich bin auch der Meinung, dass ein Verzicht niemals konkludent erfolgen kann, sondern immer explizit zu erklären ist, oder?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Bei Streichungen wird der Verzicht nicht im Wege der Auslegung ermittelt, sondern die Streichung wird als konkludente Verzichtserklärung angesehen. Da ist für Auslegung dann in der Regel gar kein Raum mehr. Allerdings sind die Entscheidungen ziemlich alt. Mir ist auch allerdings kein aktueller Fall bekannt, in dem ein möglicher Verzicht im Erteilungsverfahren behandelt wurde.

Die ganze Angelegenheit scheint sowieso heutzutage unter den Teppich gekehrt zu werden.

Hat den jemand mal in der Praxis eine "echte" Ausscheidung gemacht oder gesehen? (also nicht einfach geteilt und dann die entsprechenden Ansprüche "verschwinden" lassen?) Wurde mal jemand vom Prüfer tatsächlich zu "Ausscheidung oder Verzicht" aufgefordert. Der Prüferhinweis ist doch meist sehr vage und unverbindlich formuliert (wahrscheinlich wissen die es auch nicht).

Zur Nebenfrage:
Anspruch auf Patenterteilung m.E. aus § 49 I PatG. Selbst wenn eine Erfindung nach § 1 I PatG neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist, bekomme ich nicht zwangsläufig ein Patent, bspw. wenn eine Mangel aus § 34 PatG vorliegt (Klarheit, Einheitlichkeit) vorliegt.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Die Anspruchsgrundlage an dem Gegenstand der Erfindung im allgemeinen müsste § 6 PatG sein. Daraus ergibt sich dann der berechtigte Anspruch aus § 49 I PatG im Falle der Anmeldung.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Hat den jemand mal in der Praxis eine "echte" Ausscheidung gemacht oder gesehen? (also nicht einfach geteilt und dann die entsprechenden Ansprüche "verschwinden" lassen?) Wurde mal jemand vom Prüfer tatsächlich zu "Ausscheidung oder Verzicht" aufgefordert. Der Prüferhinweis ist doch meist sehr vage und unverbindlich formuliert (wahrscheinlich wissen die es auch nicht).
Ja, habe ich schon mal erlebt. Im Bescheid wurde gefordert, auf einen Teil der Ansprüche unmissverständlich und unwiderruflich zu verzichten und zu erklären, ob dieser Teil in einer Teilanmeldung weiterverfolgt wird. Ansonsten müsste die Anmeldung zurückgewiesen werden. So ein Fall ist aber wohl selten ...
 
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