Neuheit oder erfinderische Tätigkeit (EPÜ)

pak

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,

als neuheitsschädlichen Stand der Technik zitiert der EPA-Prüfer eine Druckschrift. Die darin beschriebenen Ausführungsformen nehmen die Erfindung (Merkmale A, B, C, D) mE nicht in allen Merkmalen neuheitsschädlich vorweg. So offenbart eine Ausführungsform lediglich die Merkmale A, B, C, eine zweite Ausführungsform lediglich die Merkmale A, B, D und eine dritte Ausführungsform lediglich die Merkmale A, C, D.

Der Prüfer verweist nun darauf, dass der Gegenstand der Erfindung bereits durch die Rückbezüge in den Ansprüchen der Entgegenhaltung neuheitsschädlich offenbart ist. Ich muss anerkennen, dass durch den pauschalen Rückbezug eines der Ansprüche auf die vorangehenden Ansprüche tatsächlich ein Gegenstand mit den Merkmalen A, B, C, D in den Schutzbereich der Ansprüche der Entgegenhaltung fallen würde.

Ich tue mich aber schwer damit, dies als eine neuheitsschädliche Offenbarung anzusehen, zumal der Fachmann doch auch hier eine Auswahl treffen muss, auf welchen der vielen vorangehenden Ansprüche er den oben genannten Anspruch zurückbezieht, um das zugrunde liegende Problem zu lösen. Ich sehe dies daher eher als eine Frage der erfinderischen Tätigkeit an.

Mache ich einen Denkfehler? Wie seht Ihr das?

Gruß

pak
 

Landei

Vielschreiber
Schulte, 8. Auflage, § 1 Rdn 309
"Durch Rückbeziehungen in Ansprüchen denkgesetzlich entstehende Merkmalskombinationen sind nur dann ausreichend deutlich offenbart, wenn sie in der Beschreibung eine ausreichende Stütze fínden."
siehe auch Fußnoten dazu.

M.E. kein neuheitsschädlicher Stand der Technik.

Übrigens fällt die Kombination ABCD auch in den Schutzbereich von ABC, ABD, ACD oder BCD.
 

pak

*** KT-HERO ***
Landei schrieb:
Schulte, 8. Auflage, § 1 Rdn 309
"Durch Rückbeziehungen in Ansprüchen denkgesetzlich entstehende Merkmalskombinationen sind nur dann ausreichend deutlich offenbart, wenn sie in der Beschreibung eine ausreichende Stütze fínden."
siehe auch Fußnoten dazu.
Danke für den Hinweis. Ich habe allerdings eher unter der Kommentierung zum §3 PatG im Schulte geschmökert. Hier (Rdn 114) wird darauf hingeweisen, dass zur neuheitsschädlichen Offenbarung einer Entgegenhaltung nicht die nicht erwähnte Kombination von Merkmalen gehört, "die sich gedanklich aus den Anspruchsrückbeziehungen ergibt". In diesem Zusammenhang wird die Entscheidung T42/92 zitiert.

Landei schrieb:
Übrigens fällt die Kombination ABCD auch in den Schutzbereich von ABC, ABD, ACD oder BCD.
Ok, spielt aber hier keine Rolle, da die Entgegenhaltung auch noch andere Merkmale in den Ansprüchen aufweist, also z.B. A, B, C und E.

Gruß

pak
 

Landei

Vielschreiber
Da unter § 1 Rdn 309 die gleiche Entscheidung angegeben ist, scheint insoweit ja Einigkeit zu bestehen.
Hast Du mal in die Entscheidung reingeschaut?
 

pak

*** KT-HERO ***
Landei schrieb:
Da unter § 1 Rdn 309 die gleiche Entscheidung angegeben ist, scheint insoweit ja Einigkeit zu bestehen.
Du hast Recht ...

Landei schrieb:
Hast Du mal in die Entscheidung reingeschaut?
Ja, allerdings nur in die Kurzversion der Sonderbeilage zum Amtsblatt. Hierin ist ausgeführt:

Der als Stand der Technik zu würdigende Offenbarungsgehalt einer Patentschrift umfasst jedoch nicht durch Anspruchsrückbeziehungen entstandene Merkmalskombinationen von Einzelmerkmalen, die aus patentrechtlichen Überlegungen in separaten Ansprüchen beansprucht wurden und deren Kombination in der Beschreibung keine Stütze findet oder gar - wie im vorliegenden Fall - in Widerspruch zu den in der Beschreibung stehenden Ausführungsformen stehen.

Ich denke, der Begriff "Patentschrift" umfasst hierbei auch eine Patentanmeldung, die mir in diesem Fall entgegengehalten wird.

pak
 

Groucho

*** KT-HERO ***
Bei der T 42/92 war die Situation aber so:

A1: Merkmale A B
A2: Anspruch 1 + Merkmal C1
A3: Anspruch 2 + Merkmal C2

Die Merkmale C1 und C2 gehörten dabei zusammen und waren in der ganzen Entgegenhaltung mit Ausnahme von Anspruch 2 nur in Kombination offenbart.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (nicht Neuheit) hat die Kammer dann entschieden, dass der Fachmann bei Berücksichtigung der gesamten Druckschrift das Merkmal C1 nicht ohne das Merkmal C2 in Betracht ziehen würde.

Die isolierte Beanspruchung von A + B + C1 in Anspruch 2 erfolgte nach der Kammer nur aus patentrechtlichen Überlegungen (maximaler Schutz). Da sie in der Beschreibung keine Stütze findet und allen Ausführungsbeispielen widerspricht (dort stets nur A + B +C1 + C2), wurde die Kombinaion A + B + C1 + nicht C2 nicht als offenbart angesehen (siehe 3.3 und 3.4 von T 42/92).
 

pak

*** KT-HERO ***
Groucho schrieb:
Bei der T 42/92 war die Situation aber so:

A1: Merkmale A B
A2: Anspruch 1 + Merkmal C1
A3: Anspruch 2 + Merkmal C2

Die Merkmale C1 und C2 gehörten dabei zusammen und waren in der ganzen Entgegenhaltung mit Ausnahme von Anspruch 2 nur in Kombination offenbart.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (nicht Neuheit) hat die Kammer dann entschieden, dass der Fachmann bei Berücksichtigung der gesamten Druckschrift das Merkmal C1 nicht ohne das Merkmal C2 in Betracht ziehen würde.

Die isolierte Beanspruchung von A + B + C1 in Anspruch 2 erfolgte nach der Kammer nur aus patentrechtlichen Überlegungen (maximaler Schutz). Da sie in der Beschreibung keine Stütze findet und allen Ausführungsbeispielen widerspricht (dort stets nur A + B +C1 + C2), wurde die Kombinaion A + B + C1 + nicht C2 nicht als offenbart angesehen (siehe 3.3 und 3.4 von T 42/92).
Tatsächlich gestaltet sich mein Fall anders (vereinfacht):

Ansprüche:
A1: Merkmale A und B
A2: Nach A1 + Merkmal C
A3: Nach A1 oder A2 + Merkmal D

Beschreibung offenbart lediglich:
  • Ausführungsform: Merkmale A, B und C (=A1+A2)
  • Ausführungsform: Merkmale A, B und D (=A1+A3)
(Kein Hinweis auf Ausführungsform mit den Merkmalen A, B, C und D mit Ausnahme des Rückbezugs in den obigen Ansprüchen)

Würdest Du die Offenbarung der Entgegenhaltung dann eher als neuheitsschädlich betrachten?

Ich meine, auch in diesem Fall erfolgt der Rückbezug des A3 auf den A2 nur aus patentrechtlichen Überlegungen, wenngleich hiermit nicht unbedingt der maximale Schutz erzielt wird. Auch findet die Kombination von A2 und A3 keine Stütze in der Beschreibung. Ich denke daher weiterhin, dass dies eine Frage der erfinderischen Tätigkeit - nicht der Neuheit - ist.

pak

PS:
Mir stellt sich diese Frage übrigens lediglich im Hinblick auf die Einteilung in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil bei der Überarbeitung des Hauptanspruchs.
 

Groucho

*** KT-HERO ***
pak schrieb:
Tatsächlich gestaltet sich mein Fall anders (vereinfacht):

Ansprüche:
A1: Merkmale A und B
A2: Nach A1 + Merkmal C
A3: Nach A1 oder A2 + Merkmal D

Beschreibung offenbart lediglich:
  • Ausführungsform: Merkmale A, B und C (=A1+A2)
  • Ausführungsform: Merkmale A, B und D (=A1+A3)
(Kein Hinweis auf Ausführungsform mit den Merkmalen A, B, C und D mit Ausnahme des Rückbezugs in den obigen Ansprüchen)

Würdest Du die Offenbarung der Entgegenhaltung dann eher als neuheitsschädlich betrachten?
Ja, wenn sich nicht aus der Beschreibung ergibt, dass der Rückbezug fehlerhaft ist, etwa weil die Merkmale C und D nicht miteinander vereinbar sind.

pak schrieb:
PS:
Mir stellt sich diese Frage übrigens lediglich im Hinblick auf die Einteilung in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil bei der Überarbeitung des Hauptanspruchs.
Dabei würde ich allerdings nur von einer der in der Beschreibung explizit offenbarten Kombinationen ausgehen.
 

Landei

Vielschreiber
Ich würde in den Oberbegriff entweder ABC oder ABD aufnehmen, je nachdem was dem abgegrenzten Anspruch näher kommt.
Oberbegriff mit ABCD würde ja bedeuten, dass man der Interpretation des Prüfer hinsichtlich dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung folgt.
 

pak

*** KT-HERO ***
Landei schrieb:
Ich würde in den Oberbegriff entweder ABC oder ABD aufnehmen, je nachdem was dem abgegrenzten Anspruch näher kommt.
Das hatte ich auch vor ...

Landei schrieb:
Oberbegriff mit ABCD würde ja bedeuten, dass man der Interpretation des Prüfer hinsichtlich dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung folgt.
... aber warum soll ich dieses "heikle" Fass aufmachen, wenn meine Argumentation ohnehin auf einem anderen Merkmal fußt. Letztlich hat die Einteilung in Oberbegriff und kennzeichnenden Teil keine rechtlichen Folgen - zumindest nicht in DE oder nach dem EPÜ.

pak
 

Landei

Vielschreiber
Wenn der Prüfer grundsätzlich zur Erteilung bereit ist, kann man den Oberbegriff ja entsprechend formulieren. Vorher würde ich keine Zugeständnisse hinsichtlich des Offenbarungsgehalts machen.
 
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