Allg. Lohnt sich die Ausbildung zum Patentanwalt noch?

N0HA

Schreiber
Hallo zusammen,

um mich kurz vorzustellen: ich promoviere zur Zeit in Physik und werde meine Doktorarbeit voraussichtlich mit Beginn 2012 abschließen. Als ich im Hauptstudium als Nebenfach "Patent- und Marenrecht" belegt habe wurde meine Interesse für dieses Gebiet geweckt. Deshalb habe ich parallel zu meiner Promotion noch einen einjährigen Fernstudienkurs zum "Gewerblichen Rechtsschutz" absolviert.

Nun habe ich den Eindruck dass ich, insbesondere aufgrund des Fernstudienkurses, durchaus einen guten inhaltlichen Einblick in diese Branche gewonnen habe und würde gerne nach Abschluss meiner Promotion eine Ausbildung zum Patentanwalt beginnen.

Bisher sah ich dies immer als sehr vielversprechende Option meiner beruflichen Karriere...bis ich die Beiträge in diesem Forum gelesen habe. Es drängt sich mir hier der Eindruck auf, als ob der Beruf Patentanwalt für junge Menschen keine rosigen Aussichten mehr verspricht: "Kandidatenschwemme", "keine Übernahme nach der Ausbildung", "Ausbeutung durch Partner" und "sinkende Bezahlung" sind dabei die Stichworte die ich soweit vernommen habe.

Sollte die Situation wirklich so dramatisch schlecht sein, dann wäre dies ein KO Kritierium dafür die Ausbildung zum Patentanwalt nicht mehr anzustreben. Für mich als Außenstehenden ist es sehr schwer zu beurteilen inwiefern diese Beschwerden berechtigt sind. Deswegen wäre ich für Kommentare bezüglich der Situation/Zukunftsaussichten für Patentanwaltskandidaten sehr dankbar.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Pat_Kandidat

SILBER - Mitglied
Wie von Dir schon selbst geschrieben, gab es in der letzten Zeit zu diesem Thema hier schon unzählige Beiträge.

Schau Dir doch mal diese Themen hier an:

*** Interessenvereinigung junge Patentanwälte ***

*** Lohnt der Umstieg ?? ***

Ansonsten befürchte ich schon, dass es nun die nächste Diskussion gibt, in der alle Schwarzseher, Optimisten und Realisten wieder ihre, in der Zwischenzeit allseits bekannten Meinung, ausbreiten werden.
 

Redakteur

Administrator
Teammitglied
Danke, Pat_Kandidat!

Ich erlaube mir noch folgenden Link zu ergänzen:

*** Risiko Patentanwalt ***

D. Gröbel
(Redaktion)
 

Paternoster

SILBER - Mitglied
Meinungen wurden hier tatsächlich schon sehr viele ausgetauscht. Wie Du aus den Posts sicherlich ersehen kannst, gehöre ich zu denjenigen, die Dir von einer Ausbildung zum PA abraten. Das habe ich auch in einigen Beiträgen schon ausführlich begründet. Deine Qualifikation wird Dir auch in Entwicklungsabteilungen der Industrie sicher von Nutzen sein.

Wenn Du etwas Zeit hast, kannst Du Dir ja mal die Argumente der einen und der anderen Seite ansehen, und Dir Deine Gedanken dazu machen, welche Seite ihre Meinung besser begründet hat.

Wenn Du noch etwas aktuelles brauchst: Im gerade begonnenen Jahr werden in Deutschland etwa 240 Junganwälte neu zugelassen werden, das ist ein neuer Rekord.
 

N0HA

Schreiber
Vielen Dank! Durch die in den Links behandelten Themen sehe ich meinen Eindruck nun weiter bestätigt.

Daher würde ich die Diskussion gerne in eine andere Richtung lenken: gibt es Alternativen zum Beruf Patentanwalt im gewerblichen Rechtsschutz für jemandem mit meiner Ausbildung (Promotion in Physik)? . Ich habe mich bereits viel über das EPA informiert - es scheint sehr schwierig zu sein dort reinzukommen.

Viel mehr würde mich aber eine Stelle als Patentassessor in der Industrie interessieren. Nur weis ich leider wenig darüber. Deswegen habe ich ein paar Fragen:
  • Welche Firmen bieten diese Stelle überhaupt an?
  • Wo wird die Ausbildung durchgeführt? Bei der Firma oder bei einer Kanzlei und man wechselt danach als Assessor in eine Firma?
  • Wie sind die Zukunftsaussichten für Patentassessoren in der Industrie?
  • Was ist der Unterschied zwischen einem Patentassessor in der Industrustrie und einem Industriepatentanwalt?
  • Gibt es irgendwelche Zahlen zum Gehalt?
Danke
 

studi

GOLD - Mitglied
Die Märkte für Assessoren und Patentanwälte sind verbunden. Auf lange Sicht wird sich die Personalentwicklung auf beide auswirken.

Im Moment meine ich einen Trend dahingehend auszumachen, dass Patentabteilungen mehr "Inhouse" machen. Der Grund liegt vermutlich darin, dass mehr gut ausgebildete Leute auf dem Markt sind, die ihr Heil nicht mehr im Beruf des Patentanwaltes sehen und sich zu den gegebenen Bedingungen gern anstellen lassen.

Langfristig wird sich das jedoch ändern. Nämlich dann, wenn die meisten Kanzleien es wegen Konkurrenz "billiger machen" müssen und nicht mehr an ihren teils erpresserisch hohen Stundensätzen festhalten können. Dann wird auch die externe Bearbeitung billiger, als eine umfangreiche eigene Abteilung zu halten.

Hin wie her. Wenn du einmal in der Patentabteilung drin bist und ggfs. einem entsprechendem Tarifvertrag unterliegst, stehst du auf der sicheren Seite. Dein Gehalt entspricht dann den üblichen Entwicklungsmöglichenkeiten bei Unternehmen der gegebenen Größe. Auch hast du so immer noch die Möglichkeit in andere Funktionen wechseln, falls sich herausstellt, dass IP doch nichts für dich ist. Der Wechsel in der Anwaltschaft ist mit gewissen Umständen auch noch drin.

Wenn man eher risikoavers eingestellt ist, halte ich das für gangbaren Weg.
 

grond

*** KT-HERO ***
union schrieb:
Paternoster schrieb:
Im gerade begonnenen Jahr werden in Deutschland etwa 240 Junganwälte neu zugelassen werden, das ist ein neuer Rekord.
Woher hast Du diese Zahl?
Würde mich auch interessieren. Wenn ich mich recht erinnere, wurde auf der Kammerversammlung eine Zahl von 110 Neuzulassungen im Jahr 2010 berichtet. Eine Verdopplung dieser Zahl halte ich gegenwärtig für unglaubwürdig.

Noch zu der Sache mit der Zahl der Anmeldungen, zu denen meine Einlassung an anderer Stelle, sie würde stagnieren, höhnisch kommentiert wurde. Laut Bericht des DPMA lag die Zahl der Anmeldungen im Jahr 2010 "auf dem hohen Niveau von 2009". Diese Formulierung ist für mich Augenwischerei. 2009 war ein massiver Einbruch der Anmeldungen zu verzeichnen, die Zahl der Anmeldungen fiel nach Jahren der kontinuierlichen Steigerung auf das Niveau von 2005 oder 2006 zurück.

Das mag Jammern auf hohem Niveau sein, dennoch ist die Aussage der bestenfalls stagnierenden Anmeldezahlen wohl eher in den immer gültigen Grenzen jeglicher Vorhersagbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung untermauert als widerlegt. Ganz genau genommen haben die Anmeldezahlen 2010 sogar tatsächlich stagniert.

Erwerbsmindernd kommen das gestraffte Erteilungsverfahren beim EPA und eine gesteigerte Bereitschaft bei der Mandantschaft, Verfahren in einem früheren Stadium aufzugeben, hinzu. Alles natürlich nur meine völlig subjektive Stichprobe...
 

EQE2009-Gast

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Würde mich auch interessieren. Wenn ich mich recht erinnere, wurde auf der Kammerversammlung eine Zahl von 110 Neuzulassungen im Jahr 2010 berichtet.
Ich war zwar nicht auf der Versammlung, aber im Protokoll, das im aktuellen Kammerrundschreiben abgedruckt ist, wird die Zahl von 110 Neuzulassungen seit der vergangenen Kammerversammlung (also zwischen April und Oktober 2010) berichtet. Insofern mag die Erinnerung trügen. Eine Zahl von mehr als 200 Neuzulassungen wäre demnach durchaus plausibel.
 

grond

*** KT-HERO ***
EQE2009-Gast schrieb:
Insofern mag die Erinnerung trügen. Eine Zahl von mehr als 200 Neuzulassungen wäre demnach durchaus plausibel.
Oh, da hast Du offenbar recht! Also ca. 7% Zuwachs bei den Patentanwälten pro Jahr...
 

Lysios

*** KT-HERO ***
N0HA schrieb:
  • Welche Firmen bieten diese Stelle überhaupt an?
  • Wo wird die Ausbildung durchgeführt? Bei der Firma oder bei einer Kanzlei und man wechselt danach als Assessor in eine Firma?
Solche Stellenanzeigen wirst Du kaum finden. Du findest Anzeigen in der Rubrik "Patentingenieur/Patentreferent", z.B. hier im Kandidatentreff. Da musst Du dann schauen, ob und welche Erfahrungen vorausgesetzt werden. Wenn keine einschlägige Berufserfahrung vorausgesetzt wird (Dein Fernstudienkurs wird kaum als Erfahrung zählen), musst Du dann hoffen, dass es einen European Patent Attorney als Ausbilder gibt oder Du irgendwann direkt vor dem EPA als Angestellter Deinen Arbeitgeber vertreten kannst. Dann kannst Du irgendwann die EQE absolvieren.

Eine Kandidatenausbildung zum Patentassessor wirst Du heutzutage in einem Unternehmen i.d.R. nur noch als bereits langjähriger Mitarbeiter dort machen dürfen. Etwa nachdem Du die EQE bestanden hast. Ansonsten bleibt Dir nur die Möglichkeit, als Patentsachbearbeiter nach 8 bzw. 10 Jahren die deutsche Prüfung ohne Amtsjahr machen zu dürfen. Dafür musst Du dann aber auch Deine Mitarbeit an DPMA-Aktenzeichen nachweisen können.

N0HA schrieb:
- Wie sind die Zukunftsaussichten für Patentassessoren in der Industrie?
Meist ist der European Patent Attorney wichtiger und verdient auch mehr als ein Patentassessor ohne EQE.

N0HA schrieb:
- Was ist der Unterschied zwischen einem Patentassessor in der Industrustrie und einem Industriepatentanwalt?
Letzterer hat von seinem Arbeitgeber die Erlaubnis bekommen, als Patentanwalt zusätzlich zu seiner Anstellung als Patentsachbearbeiter o.ä. freiberuflich tätig zu sein. Die Erlaubnis ist notwendig, da es Konflikte geben kann, bei denen die Anwaltstätigkeit gegenüber der Angestelltentätigkeit Vorrang haben muss. Insofern gibt es keinen Unterschied zum Syndikusanwalt bei den Rechtsanwälten.

N0HA schrieb:
- Gibt es irgendwelche Zahlen zum Gehalt?
90k € Gesamtvergütung pro Jahr sollten als European Patent Attorney schnell erreicht sein. Mit der deutschen Prüfung steigt das Gehalt nicht notwendigerweise signifikant. Über 100k € wird es immer schwierig als Sachbearbeiter ohne zusätzliche Verantwortung (Budget, Personal, etc.). In der deutschen Wikipedia heißt es beim European Patent Attorney, er verdient in einer Patentabteilung als Einstiegsgehalt zwischen 6000 und 7000 € pro Monat.
 

grond

*** KT-HERO ***
union schrieb:
Wieviele Patentanwälte hören eigentlich jährlich auf?

Auch mehr als 200? :)
Wenn man die verstorbenen oder ausgeschiedenen Anwälte in den Kammerrundschreiben zählt, dürfte man kaum auf mehr als wenige Dutzend kommen.

Zählung in einem zufällig herumliegenden Kammerrundschreiben:

34 Neuzulassungen stehen drei Löschungen und zwei Todesfällen gegenüber.
 

N0HA

Schreiber
@ Lysios: vielen Dank für die hilfreiche Antwort.

Noch eine kurze Nachfrage zum Gehalt: viele scheinen ja darüber zu jammern. Da ich eher aus Interesse statt aus Reichtumsträumen im IP Bereich arbeiten will ist mir ein üppiges Salär eher egal. Allerdings muss ich doch sagen dass ich solch eine lange Ausbildung auch nicht für "Hartz 4 Niveau" (Zitat aus einem Beitrag hier im Forum) machen würde. Meine persönliche Untergrenze wäre ein Einstiegsgehalt von 60k€ Brutto im Jahr nach der Kandidatenausbildung.
Nun meine Frage an die Erfahrenen: bin ich damit total in Träumen verloren oder ist dies doch ein eher realistischer Betrag für den Einstieg als Patentanwalt oder Patentassessor.
 

grond

*** KT-HERO ***
N0HA schrieb:
Meine persönliche Untergrenze wäre ein Einstiegsgehalt von 60k€ Brutto im Jahr nach der Kandidatenausbildung.
Das solltest Du eigentlich immer schaffen können. Um nicht zu sagen: solche Preisbrecher haben wir gern... ;)

Es gibt natürlich PAs, die aufgrund ihrer Arbeitssituation auch das nicht schaffen, aber die haben sie sich dann auch selbst gewählt (beispielsweise Arbeit in der absoluten Patentprovinz, unbedingter Wunsch nach absoluter Selbständigkeit in eigener Kanzleigründung, unfaire Kanzlei, die nur unlukrative und besonders arbeitsaufwendige Mandate an einen sehr leidensfähigen freien Mitarbeiter, der sich nicht im Klaren darüber ist, dass er auch einfach woanders arbeiten könnte, abgibt).
 

soso

Schreiber
Da hier häufiger über die Zahl der Neuzulassungen und die Gesamtzahl der zugelassenen PA diskutiert wird:
diese Daten sind im Jahresbericht des dpma einzusehen. Dort kann sich jeder, der mit dem Gedanken spielt eine Ausbildung zu beginnen, valide Informationen beschaffen.
 

union

*** KT-HERO ***
soso schrieb:
Da hier häufiger über die Zahl der Neuzulassungen und die Gesamtzahl der zugelassenen PA diskutiert wird:
diese Daten sind im Jahresbericht des dpma einzusehen. Dort kann sich jeder, der mit dem Gedanken spielt eine Ausbildung zu beginnen, valide Informationen beschaffen.
Danke soso! Endlich ein Beitrag mit echten Zahlen.

Der Einfachheit halber hier die Entwicklung der Anzahl an Patentanwälten für alle zusammengefasst:

Jahr: Neueintragungen/Gesamtzahl
2000: 133 / 1892
2001: 140 / 1996
2002: 125 / 2073
2003: 141 / 2151
2004: 147 / 2255
2005: 178 / 2389
2006: 131 / 2477
2007: 162 / 2576
2008: 159 / 2693
2009: 156 / 2838
 

gast3

BRONZE - Mitglied
Und nun die Zahl der EP-Anmeldungen

2000 / 100 701
2001 / 110 117
2002 / 106 348
2003 / 116 831
2004 / 123 748
2005 / 128 709
2006 / 135 399
2007 / 141 423
2008 / 146 644
2009 / 134 452

Somit alles im grünen Bereich, tät ich mal sagen.
 

grond

*** KT-HERO ***
EP-Anmeldungen pro zugelassenem Patentanwalt (selbst PAs mit nur der deutschen Zulassung dürften aktenmäßig vor dem EPA tätig sein):

2000: 100 701 / 1892 = 53,2
2001: 110 117 / 1996 = 55,2
2002: 106 348 / 2073 = 51,3
2003: 116 831 / 2151 = 54,3
2004: 123 748 / 2255 = 54,9
2005: 128 709 / 2389 = 53,9
2006: 135 399 / 2477 = 54,7
2007: 141 423 / 2576 = 54,9
2008: 146 644 / 2693 = 54,5
2009: 134 452 / 2838 = 47,4

2010 lagen die Anmeldezahlen wohl auf dem Niveau von 2009. Interessant wird also, ob es sich bei 2009/2010 nur um eine Delle ähnlich dem Platzen der New-Economy-Blase im Jahr 2001/2002 handelt, oder ob es tatsächlich zu einer Stagnation der Anmeldezahlen bei weiterhin enorm steigenden Zulassungen (und einem sich aufbauenden zukünftigen Generationenproblem) kommt.

Diese Zahlenspiele lassen aber dennoch diverse Faktoren außer acht: nach meinem Eindruck arbeiten immer mehr ausgebildete Kandidaten ohne Anwaltszulassung als Assessor in der Industrie, weshalb die Arbeit, die außerhalb der Firmen geleistet werden muss, weniger werden könnte. Dann sind beispielsweise der Wegfall von Übersetzungen und das gestraffte Verfahren beim EPA Faktoren, die durchaus wirtschaftliche Auswirkungen auf die Kanzleien und damit auch für die Anwälte als freie Mitarbeiter haben.
 
Oben