Haftung des Patentanwalts

pak

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,

dass ein Patentanwalt für eine Fehlberatung, wie beispielsweise eine falsche Rechtsauskunft, haftet, ist klar. Nicht umsonst werden entsprechend hohe Haftpflichtversicherungen abgeschlossen.

Wie ist das bei einem Verletzungsgutachten? Im Rahmen des Gutachtens wägt der Patentanwalt das Für und Wider vor dem Hintergrund der Rechtsprechung ab, um letztlich zu einem Ergebnis zu gelangen, dass er dem Mandanten mitteilt.

  • Handelt es sich bereits dann um eine Fehlberatung, wenn die Einschätzung des Patentanwalts im Rahmen des Gutachtens von der Einschätzung des Verletzungsrichters abweicht? Ich denke nicht. Eine Fehlberatung läge mE nur dann vor, wenn im Rahmen des Gutachtens grundlegende Aspekte/Rechtsprechungen bei der Beurteilung nicht beachtet wurden.
  • Viele Mandanten wünschen ja etwas "Verbindliches", so dass der Mandant im Falle einer von dem Gutachten abweichenden Entscheidung des Verletzungsgerichts die Haftung an den Patentanwalt weitergeben kann. Läßt man sich als Patentanwalt auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Mandanten ein (ggf. unter Erhöhung des Bearbeitungshonorars sowie der Haftpflichtversicherung in dem einzelnen Fall)? Oder sollte man davon eher die Finger lassen?
Wie seht Ihr das? Erfahrungswerte?

Gruß

pak
 

grond

*** KT-HERO ***
pak schrieb:
1. Handelt es sich bereits dann um eine Fehlberatung, wenn die Einschätzung des Patentanwalts im Rahmen des Gutachtens von der Einschätzung des Verletzungsrichters abweicht? Ich denke nicht.
Ich befürchte, das könnte schon bejaht werden. Mir hat mal ein älterer Patentanwalt von einer ähnlichen Geschichte erzählt, die ihn eine sechsstellige Summe Schadenersatz gekostet hat. Der Mann vertritt allerdings generell die Auffassung, dass ein echter Anwalt [tm] seinem Mandanten auch eine Empfehlung ausspricht und nicht schwammig herumschwafelt, um paranoid jegliche Haftung von vornherein auszuschließen.

Irgendeinen Grund wird es aber haben, dass mir beigebracht wurde, grundsätzlich negativ zu formulieren: "sehen wir keinen Grund, Ihnen von der Weiterverfolgung abzuraten" statt "raten wir Ihnen die Weiterverfolgung" usw.


2. Viele Mandanten wünschen ja etwas "Verbindliches"
Verbindlich kann man m.E. nur "ja, Sie verletzen, wenn Sie das Produkt auf den Markt bringen" und "nein, der Gegner verletzt Ihr Patent nicht" sagen. Für alles andere muss man eine Haftungsbegrenzung bzw. einen Haftungsausschluss vereinbaren und sollte ggf. seine Haftpflichtversicherung kontaktieren. Eine mandatsbezogene Zusatzversicherung könnte möglich sein, die müsste der Mandant halt direkt oder indirekt übernehmen.

Es ist eine Sache, wenn der Mandant z.B. Rückhalt will, um sich im Falle eines Falles gegenüber Chefs, Gesellschaftern oder Aktionären abzusichern. Wenn er aber, wie Du schreibst, das Risiko an Dich weiterreichen will, dann wird er Dich auch verklagen wollen. Damit wird Deine Arbeit letztlich erfolgsbezogen. Da solltest Du schon aus ganz anderen Gründen nicht mitmachen. Also auf Haftungsbegrenzung oder Ausschluss bestehen.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ab wann es sich um eine Fehlberatung handelt, wird sich so pauschal nicht sagen lassen. Im Zweifelsfall muss das auch ein Gericht entscheiden ...

Ich denke, dass kaum ein Anwalt eine 100% verbindliche Aussage treffen würde. Spätestens wenn man über Äquivalenz, mittelbare Verletzung o.Ä. spricht, werden die Unsicherheiten doch in der Regel größer (das wäre vermutlich ein klarer Fall von Fehlberatung, wenn man eine mögliche äquivalente Verletzung nicht ansprechen würde).

In vielen Fällen _kann_ man auch keine definitive Aussage machen, egal, was mit dem Mandanten vereinbart wurde. Schliesslich lassen sich fast immer auch Argumente für eine andere Sichtweise finden, und es ist daher nicht unbedingt vorhersagbar, wie ein Gericht (welches?) entscheiden würde.

Selbst wenn man eine Verletzung für nicht gegeben hält, muss man deshalb dennoch darauf hinweisen, dass ein Gericht das auch anders sehen könnte.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Noch ein Punkt...

Du kannst ja gerne mit dem Mandanten ausmachen, dass du haftest, und dann deine Haftpflichtversicherung für diesen Fall erhöhen...

Ob die Versicherung aber tatsächlich einen Schadensfall annimmt, wenn dein Gutachten nicht stimmen sollte, ist fraglich. Die werden sich auch winden und vermutlich letztendlich zu dem Entschluss kommen, dass KEIN Beratungsfehler vorlag, nur damit sie nicht zahlen müssen ... dann muss man vermutlich gegen die Versicherung klagen, um nicht gegenüber dem Mandanten auf der Haftung sitzen zu bleiben ...

also ich würde die Figer davon lassen... vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand und man hat schon Pferde kotzen sehen...

wenn ich denke, was ich mir kürzlich auf einem Seminar (Fallstudien zur Patentverletzung) als angeblich wortsinngemäße Verletzung von einem OLG-Richters präsentieren lassen musste... da hat es mir echt die Haare aufgestellt !!!

Grüße

Ah-No Nym

PS: vielleicht sollte dein Mandant auch darüber Nachdenken, die erste Instanz des Verletzungsgerichts in die Haftung zu nehmen, falls die zweite Instanz anderer Meinung sein sollte..... :)
 

pak

*** KT-HERO ***
Danke für Eure Beiträge. Ich denke auch, dass die Grundlage einer Zusammenarbeit stets Vertrauen ist. Wenn bereits im ersten Schreiben eines Mandanten darauf bestanden wird, dass der Anwalt ein rechtsverbindliches Gutachten abliefert und somit voll das Haftungsrisiko tragen soll, ist es mit dem Vertrauen nicht weit her. Da ist abzusehen, dass man letztlich mehr Ärger mit dem eigenen Mandanten als mit dessen Wettbewerbern haben wird. Meine Erfahrung ...

pak
 

Rex

*** KT-HERO ***
Mich würde mal interessieren, ob jemand bekannt ist, wie häufig tatsächlich Patentanwälte bisher wegen Fehlern verurteilt worden sind und wie hoch der Schadensersatz war.
Gibt es auch Fälle, wo PAs wegen mangelhafter Ausarbeitung einer Patentanmeldung verurteilt wurden?

Wie hoch sind die Versicherungssummen in Eurer Kanzlei?
 

studi

GOLD - Mitglied
Handelt es sich bereits dann um eine Fehlberatung, wenn die Einschätzung des Patentanwalts im Rahmen des Gutachtens von der Einschätzung des Verletzungsrichters abweicht? Ich denke nicht. Eine Fehlberatung läge mE nur dann vor, wenn im Rahmen des Gutachtens grundlegende Aspekte/Rechtsprechungen bei der Beurteilung nicht beachtet wurden.
Definitiv ja. Es wird sogar erwartet, dass ein Anwalt die ZUKÜNFTIG abweichende Rechtsprechung eines Obergerichtes antizipieren kann und darauf hinweist. In den Monographien zur Rechtsanwaltshaftung kann man das finden. Entsprechend ambivalent werden die Ergebnisse formuliert. Legal opinions, die konkrete Aussagen fordern, werden deswegen (wenn möglich) gar nicht gemacht oder wenigstens mit einem deutlich 5stelligen Honorar und entsprechender Haftpflichtversicherung.

Mandanten, die eine Sicherheit wollen, die an der Realität des Falles vorbei geht, sollten sich m.E. einen anderen Berater suchen.
 

Rex

*** KT-HERO ***
Hallo Studi,

in welcher Höhe können denn Schadenersatzforderungen auf einen zukommen bzw. wie hoch sollte man grundsätzlich versichert sein (also abgesehen von einer auf einen bestimmten Fall bezogenen Zusatzversicherung)?

Abgesehen von Verletzungsfällen wie sieht es mit fehlerhaften Patentanmeldungen aus? Sind Dir da Fälle bekannt?

Schöne Grüße
Rex
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Rex,

die möglichen Schadenersatzforderungen entsprechen dem Schaden, den Dein Fehler möglicherweise verursachen kann. Plus Nebenkosten (Anwalts- und Gerichtskosten etc). Hört sich etwas platt an, aber sollte eigentlich Deine Frage beantworten.

Laut den üblichen von den Versicherungen verbreiteten und wohl auch glaubhaften Gerüchten ist der häufigste Fall etwa: Dein Büro versäumt die Einzahlung einer Jahresgebühr (oder Beschwerdefrist oder Priofrist oder dergleichen) und ihr schafft auch keine Nachzahlung mit Zuschlag oder Wiedereinsetzung oder was auch immer auf den Fall passen mag: Das Schutzrecht ist weg, der Erfindungsgegenstand oder die Marke ist nicht mehr geschützt. Deinem Mandanten entgehen also sämtliche möglichen Lizenzeinnahmen und/oder er verliert Marktanteile und/oder er muss eine neue Marke kreieren und am Markt durchsetzen etc. Natürlich wird das nach den üblichen Gesetzen (Murphys Law soundsoviel) immer das wertvollste Schutzrecht in Deinem Bestand treffen, zumindest wird Dein Mandant felsenfest diese Auffassung vertreten.

Du kennst Deine Akten am Besten: Wie teuer kann das bei dem wertvollsten Schutzrecht in Deinem Archiv werden? Und: Wie wahrscheinlich ist es, dass das in den kommenden 30 Jahren zweimal in ein und demselben Jahr passiert?

Zweckmäßig machst Du einfach mal einen Termin mit Deiner Versicherung und lässt Dir was aus der Praxis erzählen. Dann ziehst Du den Gruselfaktor ab (die wollen ja auch verdienen) und stockst Deine Versicherung entsprechend auf. Wenn Du schon selbst fragst, ist sie sicher zu niedrig.

Zur zweiten Frage: Patentanmeldungen, die dem Prüfer nicht gefallen, gibt es natürlich reichlich, und es gibt auch reichlich Mandanten, die das als Fehler des Patentanwalts sehen. Natürlich ist die von Dir angemeldete Erfindung Deines Ex-Mandanten genial, wie auch ganz einfach zu beweisen ist: Schließlich hat Dein Kollege aus der Konkurrenzkanzlei, der exakt das gleiche für einen anderen Erfinder schon 1995 angemeldet hat, ja auch ein Patent darauf bekommen. Wenn Dir das nun nicht auch gelingt, ist das natürlich Dein Unvermögen. Also will Dein Mandant nicht nur sein Geld zurück, sondern auch Schadensersatz.

Solche Sachen sind ärgerlich, aber das Risiko ist begrenzt, auch in der Schadenshöhe. Ansonsten wäre eine tatsächlich schadensrelevant ausgearbeitete Patentanmeldung imho nicht wesentlich anders zu sehen als eine nicht gezahlte Jahresgebühr: Schlechter als "ganz weg" kann Deine Ausarbeitung kaum sein.

In der Hoffnung auf ein (weiterhin) schadensfreies Jahr für uns alle

Blood für PMZ
 
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Fabio Castello

SILBER - Mitglied
Hallo,

kennt von Euch jemand denn konkrete Entscheidungen von einem Haftungsfall eines Patentanwalts die man vielleicht nachlesen kann?

Das würde mich echt interessieren.

Viele Grüße :)
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Fabio Castello,

im Fitzner werden im Abschnitt D VII zahlreiche Entscheidungen zitiert, viele natürlich zu Pannen bei Rechtsanwaltskollegen.

Eine "klassische" Patentanwaltssache ist aber etwa eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf in Mitteilungen 1996 Seiten 23ff, wenn auch dort allerlei Sonderkram mit hinein spielt. Aber das ist ja auch häufig der Grund für eine Panne. Ohne Sonderwünsche des Mandanten wäre bei dem dort beteiligten Kollegen vielleicht alles glatt gegangen.

Ansonsten einfach mal die Mitteilungen durchblättern. Es kann ja nur abgedruckt werden, was nicht irgendwann in einem Vergleich geendet hat. Trotzdem ist so ziemlich jedes Jahr irgendetwas Gruseliges dabei.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 
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