DE Kennzeichnungskraft

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Liebe Kollegen,

folgender Fall:

Gegen eine eingetragenen jüngere Marke JM wird aus der Widerspruchsmarke WM ein zulässiger Widerspruch eingelegt.

Markeninhaber der JM erhebt die Nichtbenutzungseinrede.

WM-Inhaber weist sehr starke Benutzung (im Ausland) dadurch nach, dass in DE ausschließlich Produkte für den Export hergestellt werden (markenmäßige Benutzung überwiegend wahrscheinlich).

Eine sonstige Benutzung im Inland (DE) erfolgt NICHT.

Kann die Kennzeichnungskraft -nach Eurer Meinung- einer WM aufgrund der (Export-) Benutzung erhöht werden?

Bin gespannt.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Alex:jura schrieb:
Markeninhaber der JM erhebt die Nichtbenutzungseinrede.

WM-Inhaber weist sehr starke Benutzung (im Ausland) dadurch nach, dass in DE ausschließlich Produkte für den Export hergestellt werden (markenmäßige Benutzung überwiegend wahrscheinlich).

Eine sonstige Benutzung im Inland (DE) erfolgt NICHT.

Kann die Kennzeichnungskraft -nach Eurer Meinung- einer WM aufgrund der (Export-) Benutzung erhöht werden?
Nur als Hinweis: Du sprichst hier zwei Probleme an, die man nicht vermischen sollte, nämlich

  • Liegt überhaupt eine rechtserhaltende Benutzung vor, und in welchem Umfang?
  • Falls 1. mit ja beantwortet wird, kann diese Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft rechtfertigen? Hier wäre auch vorerst zu klären, wie die originäre Kennzeichnungskraft der WM ist.
Die 1. Frage ist bedingt durch die Nichtbenutzungseinrede; ihre Antwort bestimmt, welche W/DL überhaupt im Widerspruch zu berücksichtigen sind. Die 2. Frage betrifft die Bestimmung der Verwechslungsgefahr zwischen JM und WM.
 

union

*** KT-HERO ***
Alex:jura schrieb:
Kann die Kennzeichnungskraft -nach Eurer Meinung- einer WM aufgrund der (Export-) Benutzung erhöht werden?
Ganz theoretisch kann sie meiner Meinung nach dadurch erhöht werden. Es kommt ja letztlich nur auf die durch Benutzung entstandene gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Marke an (und zwar bei den in DE beteiligten Verkehrskreisen).

Sollte sie aber ausschließlich im Ausland bekannt sein und in DE nur ganz im geheimen produziert werden, so wird's vmtl. schwierig, eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit für DE glaubhaft zu machen...
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
es ist ein theoretischer Fall!

Die Benutzung IST nachgewiesen!
Meinetwegen ist die Kennzeichnungskraft orginär durchschnittlich.

Keine Benutzung in DE, AUSSER Herstellen und Labeln!
 

grond

*** KT-HERO ***
Alex:jura schrieb:
Kann die Kennzeichnungskraft -nach Eurer Meinung- einer WM aufgrund der (Export-) Benutzung erhöht werden?
Meiner vorläufigen Meinung nach ja.

§ 26 Abs. 4 MarkenG besagt, dass auch das Anbringen der Marke auf Waren oder deren Aufmachung oder Verpackung im Inland als Benutzung im Inland gilt, wenn die Waren ausschließlich für die Ausfuhr bestimmt sind. Diese Form der Benutzung ist also mit der inländischen Benutzung rechtlich gleichzusetzen. Von daher kann eine intensive Benutzung dieser Art auch die Kennzeichnungskraft steigern, auch wenn die inländischen Verkehrskreise die Marke tatsächlich nicht wahrgenommen haben können.

Die Stärke der Kennzeichnungskraft ist eine Rechtsfrage. Der Nachweis einer überragenden Verkehrsgeltung z.B. per Gutachten fußt zwar auf Tatsachenfeststellungen, die Beurteilung der resultierenden Kennzeichnungskraft angesichts eine eventuell tatsächlichen überragenden Bekanntheit der Marke ist aber wieder eine Rechtsfrage. Ich denke, dass bei der Beantwortung dieser Rechtsfrage die rechtliche Gleichstellung einer Benutzung der Marke ausschließlich zur Ausfuhr mit einer entsprechenden inländischen Benutzung zwingend derart zu beachten ist, dass bei einer geeignet nachgewiesenen, für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft normalerweise ausreichend intensiven Benutzung auch entsprechend die Kennzeichnungskraft positiver beurteilt werden muss. Die tatsächliche Bekanntheit der Marke wäre also, mathematisch gesprochen, eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Allerdings ist letztlich für die (gesteigerte) Kennzeichnungskraft die erzielte Bekanntheit in den beteiligten (inländischen) Verkehrskreisen entscheidend (siehe auch Ströbele/Hacker, 8. Auflage, §9 Rn 191); diese ist aber bei Benutzung nur für den Export nicht gegeben.

Ströbele/Hacker schreibt ferner (aaO §9 Rn 188) dass zwar der Schutzumfang einer gem §26 benutzten Marke höher ist als derjenige einer unbenutzten Marke, aber nicht über einen "oberen durchschnittlichen Bereich" hinaus. Will man stark erweiteren Schutzbereich (aufgrund erhöhter Kennzeichnungskraft) geltend machen, ist Benutzung in einem Umfang erforderlich, der über die rechtserhaltende Benutzung nach §26 hinausgeht.

Ich entnehme dem, dass allenfalls eine leicht gesteigerte Kennzeichnungskraft aufgrund der Benutzung für den Export geltend gemacht werden kann, aber keine, die letztlich weit über eine durchschnittliche hinausgeht.
 

union

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Von daher kann eine intensive Benutzung dieser Art auch die Kennzeichnungskraft steigern, auch wenn die inländischen Verkehrskreise die Marke tatsächlich nicht wahrgenommen haben können.
Das stimmt meiner Meinung nach so nicht:

Für eine ausreichende Benutzung im Sinne des §26 ist das Wissen der inländischen Verkehrskreise nämlich unerheblich.

Zur Steigerung der Kennzeichnungskraft hingegen ist eine gesteigerte Bekanntheit der Marke bei den in DE beteiligten Verkehrskreisen erforderlich.


grond schrieb:
Die tatsächliche Bekanntheit der Marke wäre also, mathematisch gesprochen, eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft.
Das glaub ich, folglich, auch nicht:
Beispiel: Das intensive Herstellen eines Produkts mit aufgebrachtem chinesischem Markenzeichen in DE, welches ausschließlich nach China exportiert wird, trägt nichts zur gesteigerten Verkehrsbekanntheit dieses Zeichens in DE bei und führt somit auch nicht zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft einer in Deutschland hierfür eingetragenen Marke.
 

grond

*** KT-HERO ***
Pat-Ente schrieb:
Ströbele/Hacker schreibt ferner (aaO §9 Rn 188) dass zwar der Schutzumfang einer gem §26 benutzten Marke höher ist als derjenige einer unbenutzten Marke, aber nicht über einen "oberen durchschnittlichen Bereich" hinaus. Will man stark erweiteren Schutzbereich (aufgrund erhöhter Kennzeichnungskraft) geltend machen, ist Benutzung in einem Umfang erforderlich, der über die rechtserhaltende Benutzung nach §26 hinausgeht.
Natürlich muss die Export-Benutzung in mindestens so großem Umfang erfolgen, wie sie auch inländisch erforderlich wäre, um eine über den "oberen durchschnittlichen Bereich" hinausgehende Kennzeichnungskraft zu erreichen, sonst ist die Diskussion sinnlos.

Ansonsten kann ich aber nicht unbedingt zu 100% erkennen, dass es im §26 allein um die Frage geht, ob eine Marke nur "erhalten" wird. Die "Geltendmachtung von Ansprüchen aus einer eingetragenen Marke" kann ja gerade von der Beurteilung der Kennzeichnungskraft der Marke abhängen. Insofern müsste Abs. 4 auch für solche Fälle gelten, in denen es um eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft geht. Hierzu müsste man wohl auch die weitergehenden Gesetzesmaterialien studieren, um sich eine endgültige Meinung bilden zu können.


Ich entnehme dem, dass allenfalls eine leicht gesteigerte Kennzeichnungskraft aufgrund der Benutzung für den Export geltend gemacht werden kann, aber keine, die letztlich weit über eine durchschnittliche hinausgeht.
Beispiel iPhone: nehmen wir an, in China könne man die Dinger nicht kaufen (keine Ahnung), die Marke sei aber in China eingetragen. Nun wissen wir alle, dass die Geräte in China (in gigantischem Umfang) gefertigt werden. Ich halte es für relativ gesichert, dass >90% aller für die Verwendung von Smartphones angesprochenen Chinesen die Marke "iPhone" kennen. Von daher würde ich ohne weiteres zu einer über die ursprünglich doch eher geringe Kennzeichnungskraft weit hinaus gesteigerten Kennzeichnungskraft der Marke gelangen, auch wenn in China überhaupt keine markenmäßige Benutzung stattfände. Sicherlich ein akademisches Beispiel, aber meines Erachtens doch plausibel. Ich gebe zu, dass das Beispiel daran krankt, dass die Chinesen ja auch tatsächlich die Marke "iPhone" kennen...

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union schrieb:
Für eine ausreichende Benutzung im Sinne des §26 ist das Wissen der inländischen Verkehrskreise nämlich unerheblich.
Meinst Du vielleicht §25? §26 ist, wie ich oben schon gesagt habe, meiner Meinung nach nicht allein auf die Frage der Aufrechterhaltung einer Marke gerichtet.


Zur Steigerung der Kennzeichnungskraft hingegen ist eine gesteigerte Bekanntheit der Marke bei den in DE beteiligten Verkehrskreisen erforderlich.
Dann wäre die Ursprungsfrage negativ beantwortet.


Beispiel: Das intensive Herstellen eines Produkts mit aufgebrachtem chinesischem Markenzeichen in DE, welches ausschließlich nach China exportiert wird, trägt nichts zur gesteigerten Verkehrsbekanntheit dieses Zeichens in DE bei und führt somit auch nicht zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft einer in Deutschland hierfür eingetragenen Marke.
Hm, vielleicht habt Ihr ja recht. Die nur rechtserhaltende Benutzung für den Export könnte als Schutz gegen Vernichtungsansprüche vorgesehen sein. So wäre es andernfalls vorstellbar, dass eine nur durch Export-Benutzung erhaltene Marke wegen mangelnder Benutzung gelöscht wird, woraufhin dann aus einer identischen, noch in der "Schonfrist" liegenden Marke eine Vernichtung der im Besitz des Inhabers der gelöschten Marke befindlichen markierten Gegenstände verlangt werden könnte.

Ich würde mich jedenfalls nicht schämen, meine obige Argumentation in einem entsprechenden Streitfall vorzutragen (anders als manche technische "Argumente" in Patenterteilungsverfahren, die vom Mandanten vorgegeben werden...).
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Ich habe es so wie Union gesehen. §26 dient lediglich der Erhaltung der Marke.
Bei einem Widerspruch oder gar in einer Verletzung kommt es nach meiner Auffassung für die KK nicht auf die Benutzung im Ausland, sondern auf die Bekanntheit im Inland an.
 

union

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Zur Steigerung der Kennzeichnungskraft hingegen ist eine gesteigerte Bekanntheit der Marke bei den in DE beteiligten Verkehrskreisen erforderlich.
Dann wäre die Ursprungsfrage negativ beantwortet.
Es bleibt zumindest noch die theoretisch-akademische Möglichkeit, dass jeder in DE die Marke auf Grund der hiesigen intensiven Herstellung kennt, obwohl das zugehörige Produkt auschließlich exportiert wird (so wie in deinem iPhone-fall, nur eben in DE).

Ich meine tatsächlich §26: für die darin verlangte Benutzung spielen Verkehrskreise keine Rolle.
 

grond

*** KT-HERO ***
union schrieb:
Ich meine tatsächlich §26: für die darin verlangte Benutzung spielen Verkehrskreise keine Rolle.
Warum ist §26 aber nicht relevant für die Frage der Steigerung der Kennzeichnungskraft durch Benutzung?
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
§26 fällt unter Abschnitt IV "Schranken des Schutzes". Somit werden hier die Grenzen aufgezeigt. Hier wird ledglich die Benutzung (ohne Bezug zu Abnehmern) definiert.

In §14 heißt es "für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen". Somit muss die Betrachtung im Lichte des Publikums gesehen werden. Dies sind die deutschen Verkehrskreise.

Zumindest nach meiner Auffassung.

Alex
 

Smith-O

SILBER - Mitglied
[quote:grond]
Alex:jura schrieb:
..., mathematisch gesprochen, eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung für eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft.
Oder eher "notwendig, aber nicht hinreichend"?
;-)
 
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