DE Vorbenutzungsrecht (§ 12 PatG)

Smith-O

SILBER - Mitglied
P hält ein Patent welches ein Produkt schützt (Produktanspruch). V hat das Produkt schon vorher hergestellt und hat jetzt ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG.

  • Darf V das Produkt jetzt auch verkaufen? (Ist "verkaufen" eine "Nutzung für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs"?)
  • Dürfen die Käufer, die das Produkt von V erwerben, das Produkt besitzen, benutzen etc. ? Mit anderen Worten: Tritt hier eine Art Erschöpfung des Patentrechts ein, obwohl hier der Patentinhaber nicht bewusst die Verfügungsgewalt über das Produkt aufgegeben hat?

 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Smith-O schrieb:
P hält ein Patent welches ein Produkt schützt (Produktanspruch). V hat das Produkt schon vorher hergestellt und hat jetzt ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG.

  • Darf V das Produkt jetzt auch verkaufen? (Ist "verkaufen" eine "Nutzung für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs"?)
  • Dürfen die Käufer, die das Produkt von V erwerben, das Produkt besitzen, benutzen etc. ? Mit anderen Worten: Tritt hier eine Art Erschöpfung des Patentrechts ein, obwohl hier der Patentinhaber nicht bewusst die Verfügungsgewalt über das Produkt aufgegeben hat?
  • Hierzu schreibt Benkard (10. Auflage, § 12 Rn. 23) dass grundsätzlich nicht auf eine andere Benutzungsart übergegangen werden kann (Busse ist da wohl anderer Meinung). Allerdings gelte für Hersteller uneingeschränkt der Grundsatz, dass das Vorbenutzungsrecht alle Benutzungsarten umfasst.
  • Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Benkard schreibt (RN 24) dass der Berechtigte einem Dritten keinerlei Rechte auf Benutzung der Erfindung verschaffen kann. Andererseits erscheint es mir widersinnig, wenn ich z.B. ein Produkt legal herstellen und vertreiben darf, der Abnehmer es aber nicht benutzen darf, oder ein Zwischenhändler es nicht weiterverkaufen darf. Anders sehe ich es, wenn mit dem (geschützten, aber rechtmäßig hergestellten und vertriebenen) Produkt auch ein geschütztes (aber vom Hersteller nicht benutztes) Verfahren ausgeführt wird - dafür dürfte ohnehin kein Vorbenutzungsrecht vorliegen.

 

grond

*** KT-HERO ***
Meiner Meinung und Erinnerung nach darf der Vorbenutzer nur in derselben Art weiterbenutzen, wie er es zum Stichtag des Patentes getan hat. Meistens handelt es sich in der Praxis daher um Verfahren, die in den Werkhallen außerhalb der Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit verwendet werden. Handelt es sich um ein Herstellungsverfahren, müsste dessen für sich nicht patentiertes Produkt dann als Ausnahme von §9 Nr. 3 bzw. Art. 64 II EPÜ zur Weiterverarbeitung besessen oder auch gehandelt werden dürfen. Bei einem Produktanspruch wäre es ansonsten nur vorstellbar, dass das Produkt bereits interner SdT war und vor dem Stichtag ernsthafte Anstalten getroffen wurden, eine Produktion aufzuziehen und das Produkt auf den Markt zu bringen, das Patent dann aber "dazwischen" kam. (Allerdings darf die Benutzung auch nicht zwischenzeitlich wieder aufgegeben worden sein, etwa weil man dachte, das könne eh nicht funktionieren.) Liegt tatsächlich ein solcher Zufall vor, muss auch der Erwerb durch andere rechtmäßig sein.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Smith-O schrieb:
1. Darf V das Produkt jetzt auch verkaufen? (Ist "verkaufen" eine "Nutzung für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs"?)
Siehe Kraßer Patentrecht 6. Auflage, § 34, II c):
"Wer ein VBR erworben hat, ist befugt, die Erfindung, ohne der Erlaubnis des Patentinhabers zu bedürfen oder dem Anmelder Entschädigung zahlen zu müssen, für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 PatG). Welche Benutzungsformen ihm dabei offenstehen, richtet sich nach der Art der vor dem maßgebenden Zeitpunkt ausgeübten oder vorbereiteten Tätigkeit. Handelt es sich um die Herstellung von Erzeugnissen, so dürfen diese weiterhin hergestellt, aber auch angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu diesen Zwecken eingeführt und in Besitz gehalten werden."

Smith-O schrieb:
2. Dürfen die Käufer, die das Produkt von V erwerben, das Produkt besitzen, benutzen etc. ? Mit anderen Worten: Tritt hier eine Art Erschöpfung des Patentrechts ein, obwohl hier der Patentinhaber nicht bewusst die Verfügungsgewalt über das Produkt aufgegeben hat?
Aus den Regelungen zum Binnenmarkt in der EU folgt die Erschöpfung des Verbreitungsrechts und das Werbehinweisrechts für das konkret verkaufte Erzeugnis. Allerdings meine ich, dass für ein Erzeugnis damit auch dessen bestimmungsgemäße Benutzung durch den Erwerber umfasst sein muss, da sonst die Erschöpfung wertlos wäre.

Dies wird m.E. auch indirekt im Kraßer a.a.O. bestätigt, indem es nämlich für die mittelbare Vorbenutzung heißt:

"Eine mittelbare Vorbenutzung, der der erforderliche Erfindungsbesitz zugrundeliegt, rechtfertigt es, die von ihr betroffenen Mittel zur Erfindungsbenutzung anzubieten und zu liefern. Das bedeutet aber nicht, daß die Abnehmer zur (unmittelbaren) Erfindungsbenutzung berechtigt sind. Praktisch bleibt der mittelbare Vorbenutzer deshalb auf Abnehmer angewiesen, die ihrerseits ein VBR haben oder Lizenznehmer sind. Insoweit benötigt er aber kein eigenes VBR, weil er Benutzungsberechtigte nach § 10 PatG ohne Zustimmung des Patentinhabers beliefern darf. Von Bedeutung wäre ein VBR für den mittelbaren Benutzer nur dann, wenn es ihm das Recht gäbe, seinen Abnehmern die Befugnis zur Erfindungsbenutzung zu verschaffen. Vertretbar ist eine solche Annahme, wenn der mittelbare Vorbenutzer Vorrichtungen angeboten oder geliefert hat, die nicht ohne Benutzung eines patentierten Verfahrens gebraucht werden können. In diesem Fall könnte der Patentinhaber selbst die Lieferung der Vorrichtung praktisch nicht vornehmen oder gestatten, ohne gleichzeitig die Erlaubnis zur Verfahrensausübung zu erteilen; das kann eine im Ergebnis der Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes entsprechende Behandlung rechtfertigen (vgl. oben § 33 V e 3). In sonstigen Fällen ist jedoch kein Raum für eine Lizenzierungsbefugnis kraft mittelbarer Vorbenutzung."

Damit wird klar, dass für ein direktes VBR erst Recht die obige Erschöpfung eintreten muss.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
P hält ein Patent welches ein Produkt schützt (Produktanspruch). V hat das Produkt schon vorher hergestellt und hat jetzt ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG.
Handelt es sich um die Herstellung von Erzeugnissen, so dürfen diese weiterhin hergestellt, aber auch angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu diesen Zwecken eingeführt und in Besitz gehalten werden
Weiß jemand, wie es mit dem Vorbenutzungsrecht im Ausland aussieht? Mit anderen Worten, schafft das inländische Vorbenutzungsrecht eine Art von Prioritätsrecht auch für ausländische Benutzungshandlungen, z.B. Herstellung in ausländischen Werkstätten und/oder Vertrieb im Ausland?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Weiß jemand, wie es mit dem Vorbenutzungsrecht im Ausland aussieht? Mit anderen Worten, schafft das inländische Vorbenutzungsrecht eine Art von Prioritätsrecht auch für ausländische Benutzungshandlungen, z.B. Herstellung in ausländischen Werkstätten und/oder Vertrieb im Ausland?
Das hängt natürlich von der Patentgesetzgebung des "Auslands" ab. Ohne Kenntnis, was das "Ausland" ist, nicht zu beantworten.

Was man aber beantworten kann wäre der umgekehrte Fall: V hat ein Vorbenutzungsrecht irgendwo im Ausland und möchte nun die Benutzung in Deutschland aufnehmen. Das wäre Patentverletzung, da §12 ganz klar die Vorbenutzung "im Inland" erfordert.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich zumindest manche ausländischen Gesetzgeber von ähnlichen Erwägungen haben leiten lassen wie der deutsche...
 
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