Teil C EQE C-Teil 2008, Anspruch 3

Fip

*** KT-HERO ***
Ich habe so viele unterschiedliche Meinungen und Entscheidungen zu Anspruch 3 des diesjährigen C-Teils gelesen, daher folgende vereinfachte Frage, um der Sache mal auf den Grund zu gehen:


Beansprucht ist ein Gegenstand mit den Merkmalen A, B, C.
Merkmale A und B sind technisch.

Entgegenhaltung 1 (E1) offenbart Merkmal A und B eindeutig und unmittelbar. Merkmal C ist nicht in E1 offenbart.

Fall 1: Merkmal C ist nicht technisch in dem Sinne, dass es keinen technischen Beitrag zur Erfindung leistet, ist aber nicht von einem Patentierungsverbot i.S.d. Art. 52(3) EPÜ betroffen.

Fall 2: Merkmal C wird (für sich genommen) von einem Patentierungsverbot i.S.d. Art. 52(3) EPÜ erfasst.

Ist der beanspruchte Gegenstand nicht neu oder ist er nicht erfinderisch gegenüber der E1? Und warum sind Fall 1 und Fall 2 unterschiedlich oder gleich zu beantworten bzw. macht die Differenzierung zwischen Fall 1 und Fall 2 einen Unterschied?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Zitate Rechtsprechung, 5. Auflage:

S. 12
Dem Zusammenhang zwischen ausgeschlossenen und nicht ausgeschlossenen Merkmalen wurde in der Sache T 236/91 nachgegangen. Im Anschluss an die Entscheidungen T 208/84 (ABl. 1987, 14), T 38/86 (ABl. 1990, 384) und T 26/86
(ABl. 1988, 19) bestätigte die Kammer, dass das EPÜ die Patentierung von Erfindungen, die aus einer Mischung ausgeschlossener und nicht ausgeschlossener Merkmale
bestünden, nicht verbiete und ein Patentierungsverbot auch nur insoweit bestehe, als sich die Patentanmeldung auf die ausgeschlossenen Gegenstände oder Tätigkeiten als
solche beziehe; somit ziele das EPÜ wohl darauf ab, eine Patentierung (nur) in den Fällen zuzulassen, in denen die Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik auf
einem vom Patentschutz nicht ausgeschlossenen Gebiet leiste.


S. 163
8. Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
8.1.1 Technischer Charakter der Erfindung
In etlichen Entscheidungen, insbesondere der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01, befassten sich die Beschwerdekammern mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Fällen, in denen die Erfindung aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht. Es ist ein implizites Erfordernis des EPÜ, dass eine Erfindung technischen Charakter aufweisen muss, um eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ zu sein. In der revidierten Fassung des EPÜ 2000 wurde der technische Charakter als explizites Erfordernis formuliert. Die rechtliche Definition von Art. 56 EPÜ ist im Zusammenhang mit den anderen Patentierbarkeitserfordernissen der Art. 52 bis 57 EPÜ
zu sehen, die als allgemeine Grundsätze enthalten, dass Erfindungen auf allen technischen Gebieten dem Patentschutz zugänglich sind und dass eine Erfindung im Sinne des EPÜ technischen Charakter aufweisen muss (T 931/95, ABl. 2001, 441;
T 935/97, T 1173/97, ABl. 1999, 609; T 641/00, ABl. 2003, 352; T 914/02).

Ausgehend von diesem Ansatz ist es zulässig, dass ein Anspruch eine Mischung aus technischen Merkmalen und "nichttechnischen" Merkmalen aufweist (d. h. Merkmalen,
die sich auf Nichterfindungen im Sinne von Art. 52 (2) EPÜ beziehen), selbst wenn die nichttechnischen Merkmale überwiegen (T 26/86, ABl. 1988, 19; T 769/92, ABl. 1995, 525; T 641/00, ABl. 2003, 352; T 531/03).

S. 164-165

8.1.2 Aufgabe-Lösungs-Ansatz
Das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit wird von den Beschwerdekammern anhand des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes geprüft, wonach eine Erfindung als technische Lösung einer technischen Aufgabe zu verstehen ist. Da sowohl die Lösung als auch die durch die Erfindung gelöste Aufgabe technischen Charakter haben müssen, kann der Aufgabe-Lösungs-Ansatz Fragen aufwerfen, wenn die Erfindung auch nichttechnische Aspekte oder Elemente beinhaltet. Solche Schwierigkeiten sind zu überwinden, indem entsprechende Sorgfalt auf die Definition des Gebiets der Technik, dem die Erfindung zuzuordnen ist, und der technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die beim Fachmann
auf diesem konkreten Fachgebiet vorauszusetzen sind, sowie auf die korrekte Formulierung der tatsächlich gelösten technischen Aufgabe verwendet werden (T 1177/97). Grundlegend vertrat bereits in T 641/00 (ABl. 2003, 352) die Technische
Beschwerdekammer 3.5.01 die Auffassung, dass bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der
erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen seien, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können. In der Sache
T 531/03 bestätigte die Beschwerdekammer 3.4.03 die in T 641/00 dargelegten Grundsätze und erklärte, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit könnten Merkmale, die sich auf eine Nichterfindung im Sinne des Art. 52 (2) EPÜ bezögen (so
genannte "nichttechnische Merkmale"), nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit stützen. In T 619/02 (ABl. 2007, ***) bestätigte die Kammer die Entscheidungen T 641/00 und T 172/03, dass die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem
Aufgabe-Lösungs-Ansatz rein technischer Natur sei und dementsprechend das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nur auf der Grundlage der technischen Aspekte der Unterscheidungsmerkmale und der durch die beanspruchte Erfindung gegenüber dem Stand der Technik erzielten Wirkung festgestellt werden könne.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Es kann keinen Unterschied zwischen Fall 1 und Fall 2 geben, da Art. 52(2) nur eine Aufzählung von nicht-technischen Erfindungen ist, die per gesetzlicher Fiktion als nicht-technisch definiert sind. Art. 52(1) schließt aber nicht-technische Erfindungen per se vom Patentschutz aus.

Der Gegenstand eines Anspruchs kann aber sehr wohl neu sein, auch wenn sich die Neuheit nur aus den nicht-technischen Merkmalen ergibt. Anders kann T 641/00 keinen Sinn ergeben, dass erfinderische Tätigkeit immer Neuheit voraussetzt (T 131/01).

Für mich ist Anspruch 3 daher neu, da weder A2 noch A6 alle Merkmale von Anspruch 3 offenbaren.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Hier noch ein Zitat aus dem Rechsprechungsband, die eindeutig dokumentiert, dass nicht-technische Merkmale die Neuheit begründen können, denn andernfalls müsste schon aus diesem Grund der Anspruch zurück gewiesen werden und nicht erst mit der Argumentation über den erfinderischen Schritt:

S. 166
In T 1001/02 betraf das kennzeichnende Merkmal vornehmlich eine gestalterische Maßnahme, mit der das Erscheinungsbild des gesamten Heizkörpers vereinheitlicht und verbessert werden sollte. Da damit nach Auffassung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.03 dieses Merkmal nicht als technisches Merkmal angesehen werden konnte, wurde es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt.
 

eqe-berlin

SILBER - Mitglied
Fip schrieb:
Ist der beanspruchte Gegenstand nicht neu oder ist er nicht erfinderisch gegenüber der E1?
Dieselben Leute werden Dir dieselben Antworten geben: nicht erfinderisch. Lysios hat schon alles wesentliche ausgeführt, hier nochmal die dahinter steckende Logik:

der Patentierungsausschluss in Art. 52(1) (implizites und seit EPÜ2000 explizites Erfordernis der Technizität), 52(2) (insbesondere ausgeschlossene Gegenstände), 52(3) (Ausschluss nur auf die Gegenstände als solche eingeschränkt) führt erstens dazu, dass nur die 52(2)-Gegenstände ausgeschlossen sind, wenn sich keine Merkmale finden, die nicht unter den Ausschluss fallen. Ein besonderes Garagentor mit einem vorteilhaften Faltmechanismus ist nicht dadurch vom Patentschutz ausgeschlossen, weil der Patentinhaber unbedingt auch im Anspruch haben wollte, dass das Garagentor feuerrot ist. Wenn er sich auf dieses spezielle Garagentor einschränken will, sein Problem.

Zweitens bezieht sich der Ausschluss in 52 nicht auf einen Stand der Technik, das tut erst Art. 54. Also kann man schon einmal nicht nach Art 52 zurückweisen, wenn alle technischen Merkmale des Anspruchs nicht neu sind, weil Art. 52 keine Basis für eine Differenzierung technische vs. nicht-technische Merkmale bietet.

Bei der Beurteilung der Neuheit muss man tun, was man immer schon tat: den photographischen Neuheitstest des europäischen Patentrechts anwenden, nämlich die Frage stellen, ob sich der Gegenstand des Anspruchs eindeutig und unmittelbar aus dem SdT ergibt. Auch hier kann man keine nicht-technischen Merkmale wegzaubern, weil sie ja immer noch Teil eines an sich technischen Gegenstandes sind (sonst hätte dieser die Art. 52-Hürde nicht genommen). Denn auch nicht-technische Gegenstände (wie z.B. Software als solche) können zweifellos an der Lösung eines technischen Problems teilnehmen. Würde man hier nur die Merkmale berücksichtigen, die für sich genommen als technisch gelten, käme man zu unzulänglichen Ergebnissen.

Erst wenn man bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit angekommen ist, kann man die nicht-technischen Merkmale aussortieren, nämlich dann, wenn geprüft wird, ob ein technischer Beitrag zum SdT durch ein Merkmal geleistet wird. Die nicht-technischen Merkmale können das jedoch nicht, also werden sie hierbei ignoriert. Wenn sich dann alle technischen Merkmale aus dem SdT ergeben (ob aus einem Dokument oder zweien ist dabei egal), dann muss wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen werden.

Beispiel: Versteigerungssystem mit einem Server und einem speziellen Versteigerungsalgorithmus. Der Server ist zweifellos ein technischer Gegenstand, also kein Ausschluss nach Art. 52. Der Server ist auch neu, weil er einen neuen Versteigerungsalgorithmus umfasst, also kein Ausschluss nach Art. 54. Er ist jedoch nicht erfinderisch, weil ein Server aus dem SdT bekannt ist und der Versteigerungsalgorithmus als Geschäftsmethode keinen technischen Beitrag leisten kann. Ergo: Zurückweisung nach Art. 56.

Das schien mir bei Überfliegen der T03/258 ganz gut beschrieben zu sein, vielleicht magst Du Dir die mal angucken.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für Eure Antworten. Ich hatte das Thema aus dem anderen Thread mal herausgeholt, weil mir das da zwischen den ganzen anderen Diskussionen irgendwie unterging.

Letztlich muss man Eure Ansicht wohl als richtig akzeptieren, obwohl ich bzw. mein Rechtsempfinden nach wie vor etwas Schwierigkeiten damit habe bzw. hat. Aber ich kann dem auch nicht mehr viel substantielles entgegensetzen.

Unabhängig von der Diskussion über die Mischung aus technischem und nichttechnischen Merkmal möchte ich mal auf folgenden Passus in der A2 hinweisen:

Zitat A2, Z. 15f.: "This information has been collected as a guide for selecting the correct indicator material depending on the sterilisation method chosen."

Es folgen Tabellen und Ausführungen, die meiner Ansicht nach alle Merkmale des Anspruchs 3 enthalten, insbesondere auch die in den Schritten I) bis III) angesprochenen. Und den Unterschied zwischen einem "guide" (A2) und einer "Anleitung" (Anspruch 3) vermag ich nicht wirklich zu sehen.

Daher ist meiner Ansicht nach die A2 neuheitsschädlich, und zwar nicht, weil das nichttechnische Merkmal bei der Neuheit unberücksichtigt bleiben würde, sondern weil es in der A2 offenbart ist.
 

eqe-berlin

SILBER - Mitglied
Fip schrieb:
Daher ist meiner Ansicht nach die A2 neuheitsschädlich, und zwar nicht, weil das nichttechnische Merkmal bei der Neuheit unberücksichtigt bleiben würde, sondern weil es in der A2 offenbart ist.
Ich finde das eine zweifellos ungewöhnliche, aber ziemlich originelle Argumentation, die vielleicht von der Prüfungskommission nicht bedacht wurde. Es werden wohl nach Sichtung der Arbeiten noch einmal mögliche Punkte für Angriffe verteilt, welche gangbar waren, aber von der Kommission selbst bei der Aufgabenstellung übersehen wurden. Vielleicht passiert das ja für diesen Angriff. Oder der von Dir zitierte Satz taucht dort mit Bewusstsein auf, als falsche Fährte oder aber eben als ein Lösungshinweis. In diesem Fall würde ich jedoch die Chance einer falschen Fährte für größer halten, da der Angriff doch zu ungewöhnlich ist, als dass er meiner Meinung nach der gewünschte Lösungsweg gewesen sein sollte.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Und wo ist genau offenbart, dass die Anleitung als Teil eines Erzeugnisses mit der Tinte verwendet wird? A2 selbst kann man vielleicht noch als Erzeugnis ansehen, aber A2 enthält doch keine WÄSSRIGE Tinte, sondern höchstens GETROCKNETE Tinte. Aber mir scheint wirklich, dass der Verfasser ein Witzbold war, der diese m.E. falsche Fährte absichtlich eingebracht haben könnte.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
A2 selbst kann man vielleicht noch als Erzeugnis ansehen, aber A2 enthält doch keine WÄSSRIGE Tinte, sondern höchstens GETROCKNETE Tinte.
Zitat A2: "...indicator materials can be formulated as inks e.g. by diluting it with water."

A2 offenbart also wässrige Tinte.

Ich nehme aber mal an, dass Du auf etwas anderes hinaus willst. Für mich steht fest, die A2 ist zumindest eine Anleitung (steht ja sogar drin), die die Schritte I) bis III) offenbart. Außerdem offenbart die A2 auch das erste Merkmal mit der Tinte, die unter Einwirkung eines Sterilsationsmittels ihre Farbe ändern kann.

Außerdem, wenn man genau hinschaut, schreibt der Anspruch eben nicht "Erzeugnis umfassend: Eine Tinte und eine Anleitung zum Gebrauch der Tinte" sondern "Erzeugnis umfassend: eine Tinte; [Semikolon!] und eine Anleitung zum Gebrauch der Tinte".
Ich kann dem Anspruch kein Merkmal entnehmen, dass sagt: Verwende Tinte und Anleitung gemeinsam oder Tinte und Anleitung sind beide das Erzeugnis. Das Erzeugnis umfasst nach dem Anspruchswortlaut (nur) die Tinte, und außerdem gibt es da noch eine Anleitung. Der Anspruch schließt nicht aus, dass beides getrennt vorliegt. Auch das Semikolon tut sein Übriges.

Ich weiß, dass ist alles irgendwie grenzwertig, aber Eure Argumentation, dass das nicht neuheitsschädlich ist, halte ich auch für grenzwertig. Die Lösung weiß ich selber nicht. Aber ich frage mich schon, wenn es nicht so gemeint ist, wie ich es oben beschrieben habe, warum dann diese ungewöhnliche Anspruchsformulierung mit dem Doppelpunkt und dem trennenden Semikolon und nicht eine übliche. Nur um eine falsche Fährte zu legen so eine verschlüsselte Formulierung? Kann ich mir nicht vorstellen.
 

eqe-berlin

SILBER - Mitglied
Fip schrieb:
Ich nehme aber mal an, dass Du auf etwas anderes hinaus willst.
Ich vermute, er meint, dass es einen einzelnen Gegenstand in A2 mit sowohl einer wässrigen Tinte als auch einer Anleitung geben müsste. Meines Erachtens ist ein Neuheitsangriff nicht richtig durchgeführt, wenn in einem Dokument ein Ausführungsbeispiel mit den Merkmalen A, B, D und eines mit den Merkmalen A, B, C beschrieben und ein Anspruch A, B, C, D gesucht wird. Dazu müsste der Fachmann nämlich die beiden Ausführungsbeispiele zusammenfügen, um zu A, B, C, D zu gelangen. Obwohl also nur ein Dokument benutzt wird, das alle Merkmale offenbart, würde dieses Dokument dennoch keine neuheitsschädliche Wirkung entfalten.

Genauso hier: A2 beschreibt eine wässrige Tinte und liefert eine Anleitung für diese, welche ein Teil von A2 selbst ist. Allerdings wird das nicht als ein einheitlicher Gegenstand im Sinn des Anspruchs offenbart.


Außerdem, wenn man genau hinschaut, schreibt der Anspruch eben nicht "Erzeugnis umfassend: Eine Tinte und eine Anleitung zum Gebrauch der Tinte" sondern "Erzeugnis umfassend: eine Tinte; [Semikolon!] und eine Anleitung zum Gebrauch der Tinte".
Diese Verwendung des Semikolons ist gerade im englischen Sprachgebrauch absolut üblich, um eine zusätzliche Strukturierungsebene gegenüber dem normalen Komma zu gewinnen. Da würde ich nun wirklich nichts hineininterpretieren. Ich könnte Dir hier vermutlich tausend Akten mit dem Semikolon als Aufzählungszeichen zeigen. Und es hat noch nie einen Klarheitseinwand deshalb gegeben.


Ich weiß, dass ist alles irgendwie grenzwertig, aber Eure Argumentation, dass das nicht neuheitsschädlich ist, halte ich auch für grenzwertig.
Ich halte den ganzen C-Teil für grenzwertig und mindestens hier sind wir uns sicherlich einig... ;)
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Genau. Ich meinte den absoluten Neuheitsbegriff.

Aber der Gedanke an A2 selbst als Erzeugnis hat schon etwas. Die Tinte ist darin nämlich wiederum nur als Information als solche enthalten.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ohne die Sache in die Länge ziehen zu wollen, aber hier noch mal ein kurzer Einschub zu dem Thema Berücksichtigung von nichttechnischen Merkmalen bei Neuheit. Es handelt sich um eine Zusammenfassung durch eine Beschwerdekammer zur Rechtsprechung des EPA im Rahmen der Entscheidung T154/04, die im Amtsblatt 2/2008 veröffentlicht worden ist (neuer geht's nicht). Die Entscheidung wurd am 04.06.2007 online gestellt, gehört also zum Prüfungsstoff. Man die Rechtsprechung des Amtes also auch anders sehen ? Aus dieser Entscheidung geht jedoch eindeutig hervor, dass nichttechnische Merkmale zumindest aus Sicht dieser Kammer einen Gegenstand nicht neu machen können.

Ich will damit das "Fass" nicht noch mal neu aufmachen, es ist ja schon viel geschrieben worden, aber interessant ist das Ganze schon und ich wollte zumindest darauf aufmerksam machen. Ich warte jetzt mal ab, was die Prüfungskommission dazu sagt.

T154/04, Amtsblatt 2/2008, S.61, Entscheidungsgründe Punkt F:
"Es ist zulässig, dass ein Anspruch eine Mischung aus technischen und "nichttechnischen" Merkmalen aufweist, wobei die nichttechnischen Merkmale sogar den bestimmenden Teil des beanspruchten Gegenstands bilden können. Neuheit und erfinderische Tätigkeit können jedoch nur auf technische Merkmale gestützt werden, die somit im Anspruch deutlich definiert sein müssen. Nichttechnische Merkmale, die nicht mit dem technischen Gegenstand des Anspruchs zur Lösung einer technischen Aufgabe zusammenwirken, d. h. nichttechnische Merkmale "als solche", leisten keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik und wer-den daher bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht berücksichtigt."

Weiter heißt es in den Entscheidungsgründen unter 15.:
"Aus der Unterscheidung zwischen technischen und nichttechnischen Merkmalen ("rein gedanklicher Art" im obigen Zitat) folgt, dass die nichttechnischen Merkmale insoweit, als sie mit den technischen Merkmalen nicht so zusammen wirken, dass eine technische Wirkung entsteht, weder Neuheit noch erfinderische Tätigkeit begründen können."
 

pating

Schreiber
Ich hab Anspruch 3 auch mit fehlender Neuheit gegenüber A2 angegriffen, allerdings habe ich die Anleitung als Verfahren zur Verwendung interpretiert, eben auch au8s dem Grund, dass die Anleitung dem Produkt nicht beiliegen muss, sondern auch über das Internet verfügbar sein konnte.
 

PAPA

GOLD - Mitglied
So, jetzt kommt noch eine neue Ansicht:

Ich habe Anspr. 3 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit angegriffen und hierbei in etwa wie folgt argumentiert:

1.) A2 offenbart ein Erzeugnis umfassend eine wässrige Tinte, welche unter Einwirkung eines Strilisierungsmittel ihre Farbe wechselt (oder Ähnlich; ich habe die Aufgabe gerade nicht vorliegen)
2.) A2 offenbart kein solches Erzeugnis welches gleichzeitig eine Anleitung umfasst.

Das Hinzufügen einer Anleitung zu einem technischen Produkt (hier: Erzeugnis mit wässriger Tinte mit bestimmten Eigenschaften) ist eine absolut fachübliche Maßnahme, insbesondere wenn - wie vorliegend - die Funktion, Wirkung oder mögliche Anwendungsgebiete der Tinte nicht ohne weiteres erkennbar sind.

Auf den in Anspruch 3 genannten Inhalt der Anleitung kommt es nicht an, da dieser keinen technischen Beitrag zu dem beanspruchten Produkt liefert.

Daher: Nicht erfinderisch gegen A2
 

grond

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Nichttechnische Merkmale, die nicht mit dem technischen Gegenstand des Anspruchs zur Lösung einer technischen Aufgabe zusammenwirken, d. h. nichttechnische Merkmale "als solche", leisten keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik und wer-den daher bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht berücksichtigt."
Ich denke, das Zusammenwirken ist der wesentliche Punkt dieser Entscheidung, welche der bereits zitierten Rechtsprechung eigentlich gar nicht zu widersprechen, sondern diese lediglich zu ergänzen scheint. Der nicht-technische Versteigerungsalgorithmus, der auf dem technischen Server läuft, wirkt mit letzterem klar zusammen. Deswegen wurde dort wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen. In der zitierten Entscheidung war offenbar kein Zusammenwirken gegeben, also war es möglich, das nicht-technische Merkmal vollständig zu ignorieren.

Auf die Aufgabe des C-Teils angewandt, müssten beide Zurückweisungen funktionieren, wobei sogar eher die Zurückweisung unter dem Gesichtspunkt der Neuheit die richtige zu sein schiene, da ich ein wirkliches technisches Zusammenwirkung zwischen einem Produkt und seiner Gebrauchsanleitung verneinen würde.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Ähm -- wie wär's eigentlich, wenn man Anspruch 3 als product-by-process-claim sehen würde, indem die Anleitung als Verfahren gedeutet wird?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Zu Kurt: Also Product sehe ich, aber wo siehst Du den Process, der zum Produkt führt?


Wenn ich diese Entscheidung T154/04 im Zusammenhang mit Amtsblatt 11/2007, S.594 (Prüfung computerimplementierter Erfindungen) lese, scheint mir folgendes Beispiel (losgelöst von Anspruch 3 der EQE) die richtige Vorgehensweise:

Anspruch: Merkmale A, B, C
A ist technisch => alles klar
B und C => (anscheinend) nicht technisch

Dann ist folgende Frage zu stellen:
Sind B und C nicht technisch "als solche", d.h. im Sinne des Art. 52(4)? Nach der Rechtsprechung läßt sich dies nun wie folgt formulieren: Wenn Merkmal B oder C mit der technischen Erfindung (Merkmal A) in einer Weise zusammenwirken, dass sie zur Lösung einer technischen Aufgabe beitragen, dann sind sie NICHT nichttechnisch "als solche". Sie sind bei Neuheit und Erfindungshöhe zu berücksichtigen. Tragen sie nicht zur Lösung einer technischen Aufgabe bei, dann sind sie nichttechnisch "als solche" und sind bei der Beurteilung der Neuheit und Erfindungshöhe nicht zu berücksichtigen.

Ergebnis könnte zum Beispiel sein, dass Merkmal B mit Merkmal A zusammenwirkt und einen technischen Beitrag leistet, auch wenn es auf den ersten Blick (anscheinend) nichttechnisch ist, während Merkmal C keinerlei technischen Beitrag leistet und nichttechnisch "als solches" ist. Dann wäre C irrelevant für die Beurteilung der Neuheit und Erfindungshöhe, und B müßte berücksichtigt werden.

Was das für Anspruch 3 der EQE bedeutet, muss man sich dann halt herleiten. Ich denke, man kann die Tinte als technisch, die Schritte I) bis III) als "anscheinend" nichttechnisch, aber letztlich mit der Tinte zur Lösung einer technischen Aufgabe zusammenwirkend ansehen, und die Tatsache, dass die Information in einer Anleitung wiedergegeben sind, als nichttechnisch "als solche" beschreiben. Dann komme ich zu dem Schluss, dass Anspruch 3 durch die A2 neuheitsschädlich getroffen ist.

Hätte ich das mal letzte Woche schon gewußt ...
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Zu Kurt: Also Product sehe ich, aber wo siehst Du den Process, der zum Produkt führt?
Wenn ich mich richtig erinnere, lautet der Anspruch als product-by-process-claim sinngemäß "Gegenstand, mit einer wässrigen Tinte beschriftet, wobei die Beschriftung erzeugt wird durch folgende Verfahrensschritte
a)...
b)...
c)..."

Abwegig?
 

Fip

*** KT-HERO ***
Nun ja, der Anspruch lautet (gekürzt):

Erzeugnis umfassend: eine wässrige Tinte, die ihre Farbe ändern kann; und eine Anleitung zum Gebrauch der Tinte, wobei diese Anleitung folgende Schritte definiert: I)Kennzeichnen des Gegenstands, II) Aussetzen des Gegenstands, III) Prüfen, ob Vorgang erfolgreich

Da ist nicht viel mit einem Produkt, dass durch einen Prozess hergestellt ist, meine ich.
 

derekreign

Vielschreiber
Also ich war der Ansicht, neu ist der (weil selbst nicht-technische Merkmale dazu beitragen), aber nicht erfinderisch, da eine Anleitung nicht-technisch ist. Als Sicherheit hab ich aber noch mit dem Text von dem Zeugen kombiniert, wo drinstand, dass eine Gebrauchsanweisung nützlich wäre, also naheliegend.
 
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