Einsendeaufgabe BGB KE 04

MuskelDoc

Vielschreiber
Liebe MitstudentInnen,

da Pat-Ente noch keinen Thread eröffnet hat, möchte ich das hiermit zur Aufgabe der KE 04 tun.

Auf den ersten Blick sieht es mir beim vorliegenden Fall so aus, dass der K in Annahmeverzug (§ 293 ff.) gelangt ist, so dass der V eine Haftungserleichterung in Anspruch nehmen kann, die ihn nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften lässt (§ 300 Abs. 1).
Im vorliegenden Fall kann letzteres ausgeschlossen werden, so dass V keine neuen Vasen liefern muss.

Was soll uns aber die Information sagen, dass V und K einen neuen Liefertermin vereinbaren. Liegt somit keine Annahmeverzug mehr vor bzw. hat der V jetzt wieder eine Bringschuld?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
MuskelDoc schrieb:
da Pat-Ente noch keinen Thread eröffnet hat, möchte ich das hiermit zur Aufgabe der KE 04 tun.
Na, Du traust Dich was ... ;-)

MuskelDoc schrieb:
Was soll uns aber die Information sagen, dass V und K einen neuen Liefertermin vereinbaren. Liegt somit keine Annahmeverzug mehr vor bzw. hat der V jetzt wieder eine Bringschuld?
Nach § 300 Abs. 2 geht mit dem Annahmeverzug die Gefahr auf den Gläubiger über. Das gilt m.E. unabhängig davon, ob erneut geliefert oder abgeholt wird. Ich glaube nicht, dass man den Annahmeverzug "heilen" kann. Sonst könnte man sich ja relativ beliebig von dem Gefahrübergang befreien und § 300 wäre sinnlos.

Aber mal eine andere Frage: Wie ausführlich behandelt Ihr denn den zugrundeliegenden Kaufvertrag? Doch wohl nicht so umfassend wie in der ersten Aufgabe, aber wahrscheinlich auch nicht ganz nebenbei?
 

Mitteboy

Schreiber
Nach § 300 Abs. 2 geht mit dem Annahmeverzug die Gefahr auf den Gläubiger über. Das gilt m.E. unabhängig davon, ob erneut geliefert oder abgeholt wird.
Vorsicht mit § 300 II ! Der regelt nämlich nur einen Spezialfall des Gläubigerverzugs. Ist zwar aus der gesetzlichen Regelung selbst nicht sofort ersichtlich, ist aber eine kleine "Falle", zumindest hinsichtlich der Prüfungsreihenfolge. Der Gefahrübergang erfolgt bei einer Gattungsschuld nämlich in der Regel einfach durch Konkretisierung, d.h. dadurch dass der Schuldner das zur Leistung seinerseits Erforderliche getan hat, was üblicherweise bedeutet, eine Sache "mittlerer Art und Güte" aus der Gattung auszusondern und dem Gläubiger am richtigen Ort zur richtigen Zeit tatsächlich anzubieten, so dass dieser nur noch zuzugreifen braucht. Dadurch wird dann die Gattungsschuld gem. § 243 II zur Stückschuld. § 300 II ist dann jedoch - wie auch im Beispiel der KE04 - völlig überflüssig! Die Regelung wird nur dann gebraucht, wenn der Gattungsschuldner wegen fehlender Mitwirkung des Gläubigers das seinerseits Erforderliche nicht tun kann, z.B. bei einem wörtlichen (statt einem tatsächlichen) Angebot, infolgedessen der Gläubiger erklärt, dass er die Leistung nicht annehme. Dann tritt die Konkretisierung nämlich aufgrund von §300 II trotzdem ein (sofern der Gläubiger im Annahmeverzug ist). Fällt man bei der Lösung der Aufgabe mit §300 II ins Haus, bevor man die "normale" Konkretisierung geprüft hat, ist das meines Wissens ein grober Schnitzer!
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Da schau her! Danke für den Hinweis.

Allerdings ergibt sich doch dann folgendes Problem:
Wenn die Gattungsschuld durch Konkretisierung zu einer Stückschuld wird, und die Sache dann untergeht, wird die Lieferung doch unmöglich und V ist schon von daher nicht (mehr) zur Lieferung verpflichtet. Nach den Ausführungen im Skript schließen sich aber Unmöglichkeit und Gläubigerverzug gegenseitig aus. Oder gilt das nicht mehr, wenn der Verzug einmal eingetreten ist?
Dann wäre der Lieferant nur noch nach § 300 I bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftbar.
 

Mitteboy

Schreiber
Allerdings ergibt sich doch dann folgendes Problem:
Wenn die Gattungsschuld durch Konkretisierung zu einer Stückschuld wird, und die Sache dann untergeht, wird die Lieferung doch unmöglich und V ist schon von daher nicht (mehr) zur Lieferung verpflichtet.
Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch offenbar um eine Bringschuld. Dabei tritt die Konkretisierung gem. § 243 II ja gerade erst durch die Lieferung ein, d.h. durch das Bringen der geschuldeten Sache zum Wohnort des Gläubigers und durch das dortige tatsächliche Anbieten. D.h. zeitlich gesehen kommt im Beispielfall zuerst die (erste) Lieferung (sie ist da also noch nicht unmöglich) bzw. der vergebliche Lieferungsversuch, dann erst die Konkretisierung durch das tatsächliche Anbieten, dann geht der Gläubigerverzug los, da K nicht da ist und dann erst tritt die nachträgliche Unmöglichkeit wegen Untergangs der geschuldeten Sache (während des zweiten Lieferversuchs) ein. Und danach ist eben V - wie Pat-Ente richtig feststellt - nicht mehr zur Lieferung der Vasen verpflichtet.

Nach den Ausführungen im Skript schließen sich aber Unmöglichkeit und Gläubigerverzug gegenseitig aus.
Meiner Ansicht nach ist diese Aussage nur i.S.d. § 297 zu verstehen, nämlich dass es dann nicht mehr zum Gläubigerverzug kommen kann, wenn die Leistung vorher bereits unmöglich geworden ist. D.h. bei bereits bestehender Unmöglichkeit ist Gläubigerverzug ausgeschlossen. Ist ja auch irgendwie logisch: geht die Sache unter, bevor der Schuldner alles "seinerseits Erforderliche" getan hat, wäre es unverhältnismäßig, wenn man den Gläubiger schon in Verzug geraten ließe, weswegen ja dann er die negativen Folgen des Untergangs tragen müsste, obwohl der Schuldner seinen Teil zur Erfüllung noch gar nicht geleistet hat. Warum im Skript aber gesagt ist, dass die Unmöglichkeit und Gläubigerverzug sich "gegenseitig" ausschließen sollen, was ja eigentlich bedeutet, dass auch der von Pat-Ente angesprochene Umkehrschluss gelten soll, ist mir nicht verständlich. Warum soll die Leistung des Schuldners nicht nachträglich unmöglich werden können, wenn der Gläubiger bereits in Verzug ist? IMHO ist das im vorliegenden Fall mit den Vasen ja gerade gegeben: Der V kommt in Annahmeverzug, dann erst wird die Leistung unmöglich. Ich wüsste nicht, wo im BGB geregelt ist, dass der Annahmeverzug die Unmöglichkeit ausschließt - nur eben umgekehrt (§ 297).
 
B

BGBGast

Guest
Hallo,

ich möchte hiermit eine Thread zu KE 04 eröffnen und lade alle Betroffenen zu einer regen Diskussion ein.
Vielleicht beteiligen sich diesmal mehrere als das letzte mal, auch wenn die Arbeit ruft :)

Gruß
BGBGast
 
K

Kand.

Guest
Ich schließe mich hiermit der Diskussion an und bin schon auf weitere Beiträge gespannt.
 

dasAundO

BRONZE - Mitglied
Klar aber ein bisserl Substanz von Anfang an wäre nicht schlecht gewesen.

Ich will's dann mal versuchen:
Knackpunkt ist wohl die Bewertung der Risikoverteilung kraft vertraglicher Regelung bei der Prüfung des 313 I, ob das Festhalten am unveränderten Vertrag für den U zumutbar ist.
Meine Tendenz geht zu einem Nein aufgrund der Höhe des Preisanstiegs (350%ige Preissteigerung) und der Umsturz ist ja lt. Sachverhalt VÖLLIG unvorhergesehen. Aber natürlich ist die frühe Preisbindung ja durchaus im Bewusstsein getroffen worden, dass der Preis sich ändern kann.

Dann würde sich die Frage stellen, inwieweit die Anpassung dem H zuzumuten ist (313 III)... und da verlässt einen (oder zumindest mich) das BGB und ich bin auf das Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zurückgeworfen ;-)
 

ander

*** KT-HERO ***
Hallo,

meiner Meininug nach sollte im Groben folgender Ablauf gewählt werden:

Anspruch auf €10 Mio. aus 433(2)?

I) Anspruch entstanden?
1) Kaufvertrag (+)
Kaufvertrag (+)
aber über €3 Mio.
2) Anspruch entstanden (-)

II) und nun klemmts

Vertretenmüssen
Garantie (-) (ist "Festpreis" als eine Garantie zu verstehen oder als eine Übernahme des Beschaffungsrisiko?)
Beschaffungsrisiko (+)
(marktbezogene) Gattungsschuld --> Öl kann am Markt erworben werden --> Beschaffungsrisiko
- U trägt das Beschaffungsrisiko (§276(2))


Unmöglichkeit liegt nicht vor, da das Öl ja vorhandne ist und U auch liefern könnte aber für €30 nicht liefern will
(--> Einrede) d.h. Ausschluss der Leistungspflicht
gem. §275(2) dass der Aufwand für die Erbringung der Leistung in groben Missverhältnis zu den wirtschaftlichen Lesitungsinteressen des Gläubigers steht. Nicht unter 275(2) fällt die wirtschaftliche Unmöglichkeit


Ich frage mich gerade ob die Anspruchsgrundlage aus 433(2) überhaupt richtig ist.


Gruß Ander
 

ander

*** KT-HERO ***
dasAundO schrieb:
Knackpunkt ist wohl die Bewertung der Risikoverteilung kraft vertraglicher Regelung bei der Prüfung des 313 I, ob das Festhalten am unveränderten Vertrag für den U zumutbar ist.
Meine Tendenz geht zu einem Nein aufgrund der Höhe des Preisanstiegs (350%ige Preissteigerung) und der Umsturz ist ja lt. Sachverhalt VÖLLIG unvorhergesehen.
An den Entzug der Geschäftsgrundlage hatte ich auch schon gedacht. Da aber ausdrücklich ein "Fixpreis" vereinbart wurde muss wohl der U das Risiko voll übernehmen.
 
L

Landidat

Guest
Also ich habe das wie folgt aufgebaut:

Anspruchsgrundlage: §433 II BGB

1. Kaufvertrag
Kaufvertrag über 3 Millionen (+)
über 10 Millionen (-)

2. Ausschluss der Leistungspflicht
Gattungsschuld i.S.d. §243 BGB, d.h. Unmöglichkeit (-)
Leistungsverweigerungsrecht (-)
-> § 275 I und II BGB sind nicht einschlägig

3. Wegfall der Geschäftsgrundlage
wirtschaftliche Unmöglichkeit -> Wegfall Geschäftsgrundlage -> Äquivalenzstörung (+)
Äquivalenzstörung unbeachtlich, weil im Vertragsrisiko?
Abwägung Risikoverteilung Unzumutbarkeit.
1. Risikoverteilung
U trägt Beschaffungsrisiko, stillschweigende Risikoübernahme durch Festpreis, Volatilität des Ölpreises durch Festpreis 50% über Marktpreis berücksichtigt, Eindecken sofort möglich
2. Umzumutbarkeit
Äquivalenzstörung (+) wegen Preisantieg um 400%
aber nicht unzumutbar, da durch Vorkehrungen des U vermeidbar (rechtzeitiges Eindecken)

Anspruch auf Anpassung des Vertrages nach § 313 I BGB (-)
Anspruch auf Zahlung von 10 Mill. aus § 433 II BGB (-)

Ich habe lange überlegt, ob unzumutbar oder nicht... Ausschlag gab dann der Palandt § 313 Rn 38.

btw: 20 € - 100 € pro Liter Heizöl??? Da malt wohl jemand den Teufel an die Wand!!! (aktueller Preis etwa € 0,65 pro Liter)


L
 

ander

*** KT-HERO ***
Hallo,

zur Prüfung des 313 gibt das Skript m.E. leider nicht viel her.

Ich habe im Netz ein Prüfungsschema für 313 gefunden:

1) Anwendbarkeit = keine vorrangigen gesetzlichen Bestimmungen, insb. § 275 I, II

2) Schwerwiegende Veränderung von Umständen nach Vertragsschluß (Fall der objektiven GG, Abs. 1) oder gemeinsamer Irrtum beider Parteien über wesentliche Umstände bei Vertragsschluß (Fall der subjektiven GG, Abs. 2).
- Umstände sind alle tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten, die für den Vertragsschluß von Bedeutung sind (Beispiele: Marktpreis, Eigenschaft der Sache, Erreichbarkeit des Leistungszwecks, vgl. im einzelnen die Fallgruppen).

3) Umstände sind Grundlage des Vertrags, aber nicht Vertragsinhalt geworden - Veränderung wurde bei Vertragsschluß nicht berücksichtigt.
  • Wurde die Veränderung im Vertrag berücksichtigt, geht die vertragliche Regelung vor.
  • Läßt sich die Problematik durch Anwendung dispositiven Gesetzesrechts lösen, so geht dieses vor.
  • Vorrang der Auslegung, insbesondere der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157)
4) Parteien hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen.

5) Festhalten am Vertrag ist einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung, nicht zumutbar.
  • Interessenabwägung, dabei ist zu berücksichtigen, daß § 313 eine extreme Ausnahme darstellt.
  • Bedeutung der gesetzlichen und vertraglichen Risikoverteilung, Beispiel 1: bei Verkauf zum Festpreis trägt der Verkäufer in der Regel das Risiko einer Veränderung des Marktpreises. Beispiel 2: Der Käufer trägt das Risiko der Verwendbarkeit bei mangelfreier Ware (z.B. § 313 (-), wenn das Hochzeitskleid nicht verwendbar ist, weil - für beide Parteien unerwartet - die Hochzeit platzt).

Was haltet Ihr davon?
Ihc gehe mal davon aus, dass alle 5 Punkte bejaht werden müssen, damit Wegfall der GG vorliegt.
In unserem Fall ist Punkt 5 zu verneinen (wg. Risikoübernahme aus Fixpreis) und damit kein Wegfall der GG --> k.A. auf 10 Mio.

ander
 

ander

*** KT-HERO ***
Landidat schrieb:
Also ich habe das wie folgt aufgebaut:

Anspruchsgrundlage: §433 II BGB

1. Kaufvertrag
Kaufvertrag über 3 Millionen (+)
über 10 Millionen (-)

2. Ausschluss der Leistungspflicht
Gattungsschuld i.S.d. §243 BGB, d.h. Unmöglichkeit (-)
Leistungsverweigerungsrecht (-)
-> § 275 I und II BGB sind nicht einschlägig
@landidat

wenn ich das richtig verstanden habe im Skript, so ist doch auch der Ausschluss der Leistungspflicht (der Gegenleistung, also €3Mio.) gem. §326 (1) auch zu prüfen. Und dies geht nur über die Prüfung nach 275.
Also
Gegenleistung nach §326(1) von €3Mio. geht unter wenn Leistung nach §275 untergegangen ist.

In unserem Fall sind der Anspruch auf 3 Mio nicht untergegangen weil die Lesitung nach 275 nicht untergegangen ist.

Wie ist eure Meinung dazu?

Ander
 
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