Patentierung von Software

T

Taiga Wutz

Guest
Hallo Kollegen,

nach dem der Redakteur (politisch korrekt ;-)) den Thread
"Kanzleibetrieb alternativ" geschlossen hat, will ich eben einen
Thread zur Softwarepatentierung aufmachen.

MS hat laut Presseberichten bereits überlegt, gegen Linux mit Hilfe
von Schutzrechten vorzugehen. Die GNU-GPL setzt dem User auch gewisse Beschränkungen auf.

Was haltet ihr von Softwarepatentierung in Europa, mal
unabhängig von den potentiellen Aufträgen für die PAe und
damit den pekuniären Interessen als PA?

Gruß,
Taiga
 
G

GAST_DELETE

Guest
Ist mE in Ordnung, solange weder versucht wird, Algorithmen versteckt zu claimen oder ein Trivialpatent zu erhalten.

Aber letzteres gilt so ziemlich für den gesamten IP-Bereich...
 
G

GAST_DELETE

Guest
Stimme dem Vorredner "Gast" zu. Bezüglich des letzten Satzes meine ich, dass das in jedem Bereich gilt.

Man sollte einfach auch mal überlegen, dass sich alles mit der Zeit wandelt und es auch einfach erforderlich ist, das Recht entsprechend auszulegen (und zu ändern). Das Argument, das die Großen profitieren und die Kleinen die Dummen sind, das oft bei dieser Diskussion hervorgebracht wird, gilt doch auch in allen anderen Bereichen. Wie soll man das den vermeiden.

Ich habe mir mal den Spass gemacht, die komplette Rechtsprechung des EPA durchzuforsten und genauer anzusehen (und das seit Bestehen des EPA). Wenn man sich das ansieht, dann gibt es irgendwann einen Aha-Effekt und amn erkennt den roten Faden, der sich ergibt (mit Ausnahme kleinerer Ausrutscher, die nicht von der Beschwerdekammer mit dem Mitglied van den Berg ergangen sind).

Hoffe, dies war gemäß der PC (political correctness). Anders ausfallende Meinungen, die nicht nur pauschal billige Schlagwörter auffassen. würden mich aber brennend interessieren, gerade von den Leuten hier.

Vielleicht bin ich auch einfach schon vorbelastet, da ich dieses Thema andauernd verfolge, denn damit habe ich eigentlich laufend zu tun.

Gruß
 
P

PA

Guest
Warum sollten denn ausgerechnet nur die Großen von dem Patentschutz profitieren können?

Kleine und Mittelständler leben häufig von guten Ideen, die Ihre Produkte verbessern. Ohne ein Schutzrecht können die Großen mit dem entsprechenden Finanzpolster im Rücken diese Ideen übernehmen und solange zu unwirtschaftlichen Preisen verkaufen, bis dem Kleinen, dem nichts anderes übrig bleibt als seine Preise anzupassen, der finanzielle Atem ausgeht.

Ist es nicht eher so, dass gerade die Kleinen von Schutzrechten profitieren können?

Im Übrigen, warum sollten auf dem Gebiet der Software andere Anforderungen als sonst an die notwendige Erfindungshöhe gestellt werden und haufenweise Patente auf naheliegende Entwicklungen erteilt werden?
 
M

MynonA

Guest
PA schrieb:
Warum sollten denn ausgerechnet nur die Großen von dem Patentschutz profitieren können?
Da die letzten Endes den längeren Atem haben und etwaige Verfahren bis zum BGH treiben können, was sich ein 10-Personen-Unternehmen in der Regel nicht leisten kann. Recht haben & Recht durchsetzen ... (*grübel* ... war da nicht seinerzeit 'was mit dem deutschen (Einzel-)Erfinder des walkman, der es dann auf der Gegenseite mit 18 PAs und Prozeßkosten in Millionenhöhe zu tun hatte?)

Außerdem verfügen größere Unternehmen über ein starkes Portfolio mit starker Sperrwirkung (furchtbare Begriffe ;o), das es ermöglicht, auch für interessante Produkte, die nicht selber entwickelt wurden, eine Kreuzlizensierung mit dem Wettbewerber zu erwirken.

PA schrieb:
Im Übrigen, warum sollten auf dem Gebiet der Software andere Anforderungen als sonst an die notwendige Erfindungshöhe gestellt werden und haufenweise Patente auf naheliegende Entwicklungen erteilt werden?
Die Tatsache, daß dies auch in anderen Bereichen so gehandhabt wird, heißt nicht, daß diese Praxis gutzuheißen ist.

Darüber hinaus ist es ja ursprünglich ein Ziel der Patenterei, in Form eines ausschließlichen Nutzungsrechts Unternehmen einen Anreiz zu bieten, selber Entwicklung zu betreiben, da etwaige Entwicklungskosten auf diese Weise wieder reingeholt werden können. Grade bei SW halten sich diese Kosten jedoch halbwegs in Grenzen, so daß es mE ganz natürlich ist, mit dieser Art von Erfindungen anders umzugehen als mit "echten" technischen Erfindungen.

Hinzu kommt, daß es in der Praxis grade bei SW oft verdammt schwer ist, zwischen Erfindungen und Entdeckungen zu unterscheiden...

M.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Die Argumente der Gegner von Software-Patentierung richten sich mE nicht nur gegen die Patentierung von Software, sondern gegen Patente im Allgemeinen. Ein häufiges Argument dagegen ist, es würde zu viel kosten, auf bestehende Patente Rücksicht zu nehmen, sprich Recherchen zu machen. Überhaupt scheint man im Bereich der Softwareentwicklung der Meinung zu sein, dass alles umsonst geschehen muss.
 
S

Softie

Guest
Gast schrieb:
Die Argumente der Gegner von Software-Patentierung richten sich mE nicht nur gegen die Patentierung von Software, sondern gegen Patente im Allgemeinen.
Stimmt, wobei wir wieder bei Trivialpatenten wären...

Gast schrieb:
Ein häufiges Argument dagegen ist, es würde zu viel kosten, auf bestehende Patente Rücksicht zu nehmen, sprich Recherchen zu machen. Überhaupt scheint man im Bereich der Softwareentwicklung der Meinung zu sein, dass alles umsonst geschehen muss.
Abgesehen davon, daß mE mit Software eher eine Dienstleistung als die tatsächliche Ware verkauft wird (wofür beispielsweise die Tatsache spricht, daß die Produktionsmittel zu deren Herstellung keine nennenswerten kosten verursachen), halte ich das Problem der Recherche hier tatsächlich nicht für völlig von der Hand zu weisen. Anders als bei "greifbaren" technische oder chemischen Erfindungen fällt es allein schon aufgrund des recht abstrakten Inhalts eines auf die Patentierung von Software gerichteten Anspruchs deutlich schwerer, dan tatsächlich von einem Anspruch abgedeckten Bereich zu bestimmen. Und wenn man dann noch berücksichtigt, aus wievielen Zeilen Code normalerweise ein Programm besteht, wäre es mE nicht durchführbar, eine jegliche mögliche Verletzung eines Schutzrechtes vorweg zu recherchieren.
Somit ergäbe sich auch hier eine innovationsfeindliche Situation, bei der große Unternehmen zu Lasten kleinerer den Markt unter sich aufteilen.
Die Patentierung von Software ist außerdem allein schon deshalb nicht zwingend erforderlich, da die konkrete Umsetzung einer Idee aus dem Maschinencode nicht ersehen werden kann und somit einem gewissen Schutz von Natur aus unterliegt. (Reverse Engineering eines Konkurrenten ist ja schließlich nicht erlaubt!)
 
R

Robby

Guest
Eine Entwicklung ist für mich dann patentwürdig, wenn sie ein Problem (sei es nun bekannt oder nicht) löst und dabei einen Lösungsweg beschreitet, der den §3,4 PatG genügt. Im Patent soll dann der Lösungsweg nachvollziehbar beschrieben sein. Jede andere Lösung des Problems, die nicht von der Erfindung Gebrauch macht, ist nicht unter Schutz gestellt, alles andere wäre volkswirtschaftlich nicht gewinnbringend, da dann jeder zusätzliche Entwicklungsanreiz weg wäre. In der Mechanik komme ich mit diesem Gedankengebäude gut zurecht.

Bei Software habe ich da so meine Probleme. Ich finde es schwierig, da eine vergleichbare Grenze zu ziehen, mit der ein angemessener Ausgleich zwischen der Erfinderbelohnung und dem volkswirtschaftlichem Interesse an Allgemeinverfügberkeit statt finden kann. Oder anders ausgedrückt: Bis zu welcher Abstraktionsebene der Anweisungen soll Software unter Schutz gestellt werden? Code (da sind sich alle einig), das was einzelene Programmbausteine untereinander austauschen oder das, was auf dem Bildschirm für den Benutzer erscheint? Wir als Anwälte der Mandanten versuchen natürlich möglichst alles anzumelden und auf der anderen Seite alles platt zu machen:)

Ich denke, beim EPA und beim BPatG/BGH macht man sich gute Gedanken zu dem Thema, die Entscheidungen sind lesenswert und meist nachvollziehbar. Und ich halte es im Moment für am vernüftigsten abzuwarten, wohin die (konvergierende, wie ich meine) Rechtssprechung geht, bevor mit neuen Gesetzen die Lage nur wieder unübersichtlicher wird. Denn das ist das größte Problem für Innovation: die Unsicherheit. Und was zu solch kontrovers diskutierten Themen oft vom Gesetzgeber kommt, trägt nach x Vermittlungsrunden meist wenig zur Rechtssicherheit bei.
 
P

PA

Guest
MynonA:

>Da die letzten Endes den längeren Atem haben und etwaige Verfahren bis zum BGH treiben können, was sich ein 10-Personen-Unternehmen in der Regel nicht leisten kann. Recht haben & Recht durchsetzen ... (*grübel* ... war da nicht seinerzeit 'was mit dem deutschen (Einzel-)Erfinder des walkman, der es dann auf der Gegenseite mit 18 PAs und Prozeßkosten in Millionenhöhe zu tun hatte?)

Welches Vefahren sollte denn zum Nachteil für den Kleinen bis zum BGH getrieben werden?

Hat der Kleine ein "ordentliches" Patent, so soll doch der Große sein Verfahren vor den BGH bringen. Er wird das Patent nicht aus der Welt schaffen können.

Sollte er es trotzdem verletzen wollen, so wird er Rückstellungen für den Schadensersatz verbuchen müssen, was zu Kosten und damit zu einem wettbewerblichen Nachteil führt. Nach welcher Instanz das Verletzungsurteil rechtskäftig wird, hat im wesentlichen nur Einfluss auf die Kosten des Unterlegenen.

Wenn der Kleine natürlich nicht anmeldet, mag Ihre Argumentation im Hinblick auf Patente des Großen zutreffen, da dann das Risiko eines Unterliegens im Verletzungsstreit bezüglich der Kostenfolge und vor allem bezüglich des Verbietungsrechts für den Kleinen erheblich werden könnte.

Im Übrigen führen auch 18 PAs nicht zu höheren Prozeßkosten für die Gegenseite.

>Außerdem verfügen größere Unternehmen über ein starkes Portfolio mit starker Sperrwirkung (furchtbare Begriffe ;o), das es ermöglicht, auch für interessante Produkte, die nicht selber entwickelt wurden, eine Kreuzlizensierung mit dem Wettbewerber zu erwirken.

Gerade Lizensierungen (oder der Verkauf des Schutzrechts) sind hier doch eine Einnahmequelle für den Kleinen, die sich ohne die Möglichkeit der Patentierung seiner Ideen nicht ergeben würde. Dann würde der Große solange kopieren, bis der Kleine vom Markt verschwunden ist.

>Darüber hinaus ist es ja ursprünglich ein Ziel der Patenterei, in Form eines ausschließlichen Nutzungsrechts Unternehmen einen Anreiz zu bieten, selber Entwicklung zu betreiben, da etwaige Entwicklungskosten auf diese Weise wieder reingeholt werden können.

Ein weiteres Ziel der Patenterei ist es, den technischen Fortschritt dadurch zu beschleunigen und zu verbreitern, dass der Wettbewerb durch die notwendige Umgehung von Schutzrechten dazu gezwungen wird, Alternativlösungen zu entwickeln. Solche Alternativlösungen, die ohne das hindernde Schutzrecht niemals entwickelt worden wären, weil das geschütze Produkt auch ordentlich funktionierte, führen nicht selten zu überraschenden Vorteilen.

>Hinzu kommt, daß es in der Praxis grade bei SW oft verdammt schwer ist, zwischen Erfindungen und Entdeckungen zu unterscheiden...

Was verstehen Sie unter Entdeckungen bei Software? Was sollte hier der Nachteil für die Kleinen im Vergleich zu den Großen sein?





Softie

>Gast> Ein häufiges Argument dagegen ist, es würde zu viel kosten, auf bestehende Patente Rücksicht zu nehmen, sprich Recherchen zu machen. Überhaupt scheint man im Bereich der Softwareentwicklung der Meinung zu sein, dass alles umsonst geschehen muss.
Abgesehen davon, daß mE mit Software eher eine Dienstleistung als die tatsächliche Ware verkauft wird (wofür beispielsweise die Tatsache spricht, daß die Produktionsmittel zu deren Herstellung keine nennenswerten kosten verursachen), halte ich das Problem der Recherche hier tatsächlich nicht für völlig von der Hand zu weisen. Anders als bei "greifbaren" technische oder chemischen Erfindungen fällt es allein schon aufgrund des recht abstrakten Inhalts eines auf die Patentierung von Software gerichteten Anspruchs deutlich schwerer, dan tatsächlich von einem Anspruch abgedeckten Bereich zu bestimmen. Und wenn man dann noch berücksichtigt, aus wievielen Zeilen Code normalerweise ein Programm besteht, wäre es mE nicht durchführbar, eine jegliche mögliche Verletzung eines Schutzrechtes vorweg zu recherchieren.
Somit ergäbe sich auch hier eine innovationsfeindliche Situation, bei der große Unternehmen zu Lasten kleinerer den Markt unter sich aufteilen.

Auch bei Softwarepatenten bestimmt sich der Schutzumfang anhand der Patentansprüche, natürlich unter Beachtung der üblichen Auslegungskriterien. Wer hier Programmcode in den Ansprüchen verwendet, wird zu einem äußerst engen Schutzumfang gelangen. (Langer) Programmcode in der Beschreibung mag allenfalls ein Problem bei der Recherche nach dem Stand der Technik darstellen, führt jedoch nicht zu einer Unüberschaubarkeit bei der Verletzungsrecherche.

>Die Patentierung von Software ist außerdem allein schon deshalb nicht zwingend erforderlich, da die konkrete Umsetzung einer Idee aus dem Maschinencode nicht ersehen werden kann und somit einem gewissen Schutz von Natur aus unterliegt. (Reverse Engineering eines Konkurrenten ist ja schließlich nicht erlaubt!)

Na, dann beweisen Sie dies vor Gericht mal!


Danke für die angenehme Diskussion.
 
S

Softie

Guest
PA schrieb:
Wer hier Programmcode in den Ansprüchen verwendet, wird zu einem äußerst engen Schutzumfang gelangen.
Da habe ich mich anscheinend nicht verständlich ausgedrückt:
Nach wie vielen Schutzgegenständen muß ich bei einem kleineren Programm (sagen wir: 100 000 Zeilen Programmcode) recherchieren (lassen), um sicher zu gehen, daß keinerlei Schutzrecht verletze? 1000? 10 000?
Bei Recherchekosten von EUR 1000 macht das ein Minimum von EUR 10^6. Welche kleinere Softwareschmiede kann sich so etwas leisten?
Software hat mE eine Sonderstellung, da bei keinem anderen Erzeugnis in einer einzigen 08/15-Ausführungsform (obiges "kleines" Programm) derartig viele Schutzrechte potentiell betroffen sein können. Überdies kann der Gegenstand einer Anmeldung zumeist aufgrund des hohen Abstaktionsgrades nur unter großer Mühe den Ansprüchen entnommen werden, denen es darüber hinaus oft an Klarheit mangelt. Wird zudem noch die übliche Kürze der Produktzyklen bei Software betrachtet, so ist mE ersichtlich, daß der Schutz von Software durch ein herkömmliches Patents mit einer Schutzdauer von 20 Jahren über die Zielsetzung des Patentrechts weit hinausschießt.
 
T

Taiga Wutz

Guest
Hallo,

ich sehe ein weiteres Problem darin, daß die max. Laufzeit eines
Patents relativ lange ist, verglichen mit den Innovationszyklen
der Software-Industrie.

Patent heißt ja einerseits zum Stand der Technik etwas beizutragen
und andererseits dafür - als Belohnung - ein zeitlich begrenztes
Monopol zu erhalten.

Bei 20 Jahren Laufzeit handelt es sich aber um ein praktisch
unbegrenztes Monopol.

Gruß,
Taiga
 
M

Maggolino

Guest
Sehr interessanter Thread!

Ich war ja, bis vorgestern, der freien Software zugetan ;-) und habe über diese Problematig auch schon in der Kanzlei diskutiert.

Ich denke, man muss das Problem eine Ebene abstakter vor dem Hintergrund des Schutzes geistigen Eigentums betrachten. Ein Verfahren als Teil eines Softwareprodukts kann geistiger erfinderischer Tätigkeit erwachsen und sollte daher Schutzrechte genießen, sofern sie natürlich patentfähig sein/werden sollten.

Es könnte sich auch der Effekt einstellen, dass kleinere Softwareunternehmen gegen die Großen geschützt sind und die Patente ihnen mit Ihren guten Ideen zu mehr Marktkraft verhelfen.

Die freie Softwaregemeinde hat ein ganz einfaches Mittel zur Hand, um sich zu schützen: Veröffentlichung. Wenn ein Verfahren bekannt ist, kann es nicht mehr geschützt werden.

Eine abschließende Meinung zu dem Thema habe ich mir allerdings noch nicht gebildet.

In diesem Sinne

Maggolino
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M

Maggolino

Guest
Meine Finger sind heute zu dick: wollte natürlich "Problematik" schreiben ;-)
 
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