'Probezeit' vor Meldung zur Ausbildung

F

Frustrator

Guest
Es ist ja leider bei etlichen Kanzleien Usus, vor die eigentliche Meldung zur Ausbildung eine Probezeit zu schieben. Das ist dann nicht nur eine Probezeit im üblichen Sinne, in der kein Kündigungsschutz besteht, sondern de facto eine Verlängerung der Ausbildungszeit. Gerüchtehalber beträgt diese Zeit bei einigen Kanzleien bis zu zwei Jahren.

Natürlich wird das von den Anwälten schöngeredet, man "wolle sich Zeit nehmen für die Ausbilung" oder diese "besonders gründlich machen". Bei der Verlängerung handelt es sich eigentlich aber nicht um die ersten Monate - die absolviert man so oder so - sondern um die letzten, nämlich nach Ablauf der eigentlich nur notwendigen 26 Monaten. In dieser Zeit ist man für die Kanzlei wirtschaftlich besonders interessant, da man in der Routinebearbeitung von Akten ähnlich effektiv ist wie ein fertiger Anwalt kurz nach der Prüfung. Letzterer weiss natürlich eine Menge mehr Theorie, hat aber keine längere Zeit mit Aktenbearbeitung verbracht.

Nun sagt §6 Abs. 2 der Patentanwaltsausbildungsverordnung, dass die Ausbildung und nicht etwa die wirtschaftlichen Ziele den Umfang und die Art der Tätigkeit des Kandidaten bestimmen.

Hat mal jemand versucht, sich im Nachhinein gegen diese Knebelung zu wehren, d.h. den Beginn der Ausbildung vor dem DPMA auf den eigentlichen Kanzleieintritt zurückzudatieren? Das müsste doch unter Berufung auf obige Norm und letztlich Sittenwidrigkeit §138 BGB möglich sein. Ich weiss, Vertragsfreiheit, aber bei einem Arbeitsvertrag angesichts des momentanen Arbeitsmarktes kann man wohl kaum von Verhandlung auf Augenhöhe sprechen. Die Wahl lautet eben oftmals nicht "Ausbildung mit oder ohne Vorlaufzeit", sondern "Ausbilung oder Arbeitsamt".
 
U

unknown

Guest
Meine Kanzlei hat mich direkt angemeldet, und nur bei einer solchen würde ich auch anfangen! Außerdem ist der Arbeitsmarkt zumindest für studierte Techniker (also MAschb., E-Technik, Physik) nach wie vor gut! Man sollte sich also lieber für die Auswahl der richtigen Kanzlei etwas Zeit nehmen.

Noch was: Bei mir gab es auch eine Probezeit von 6 Monaten, und dies war wirklich eine probezeit, um zu prüfen, ob ich für diesen Job überhaupt geeignet bin, andernfalls hätte man mich ohne mit der Wimper zu zucken wieder vor die Türe gesetzt! Hierauf wurde ich jedoch schon im Bewerbungsgsepräch hingewiesen!
 
S

Steuersünder

Guest
Frustrator schrieb:
Hat mal jemand versucht, sich im Nachhinein gegen diese Knebelung zu wehren, d.h. den Beginn der Ausbildung vor dem DPMA auf den eigentlichen Kanzleieintritt zurückzudatieren?
Das dürfte nicht klappen, da nach § 14 PatAnwAPO der Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung frühestens auf den Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige des Ausbilders festgelegt werden darf.
 
G

gutfried

Guest
Bei der Unterschrift des Arbeitsvertrags liegt wohl keine "Zwangslage" i.S.d. §138 BGB vor. Interessanter hingegen ist in diesem Zusammenhang der §242 BGB , d.h. ob die Berufung der Kanzlei auf den Vertrag nicht sittenwidrig ist, nachdem die 24 (bzw. 26) Monate um sind.
 

Besserwisser

BRONZE - Mitglied
Bei der Auswahl der Ausbildungskanzlei ist m. E. besonders auf die folgenden Punkte zu achten:
- liegen mir die Charaktere der dortigen Patentanwälte, d. h. kann ich mir vorstellen, mit diesen gleichberechtigt über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte freundschaftlich zusammenzuarbeiten,
- bietet die Kanzlei das Ausbildungsverhältnis an, weil sie in 3 bis 5 Jahren einen weiteren Patentanwalt in ihrer Sozietät brauchen oder weil clevere Kandidaten spätestens ab dem zweiten Ausbildungsjahr mehr einbringen als sie kosten, oder anders ausgedrückt erfolgt die Anstellung zum Zwecke der Ausbildung eines zukünftigen Partners oder zur Steigerung des Umsatzes (hierzu kann man gegebenenfalls vorherige Kandidaten dieser Kanzlei befragen)
- eine Probezeit ist üblich und sinnvoll,
- für eine verzögerte Anzeige des Ausbildungsverhältnis beim DPMA gibt es dagegen kein einziges gutes Argument. Diese kann sofort mit Beginn der Tätigkeit erfolgen. Der Kandidat kann sich dann, falls es zu einer Trennung während der Probezeit oder danach kommt, die absolvierte Zeit auf die Ausbildungszeit anrechnen lassen. Sollten Ausbilder und Kandidat tatsächlich am Ende der 26 Monate der Auffassung sein, die Ausbildungszeit war zu knapp (mir ist kein einziger solcher Fall bekannt) können sie immer noch einvernehmlich die Anstellungszeit verlängern. Es gibt keinen zwingenden Automatismus, daß der Kandidat nach Ablauf der 26 Monate den nächsten Termin beim DPMA zur Aufnahme des Amtsjahres wahrnehmen muß,
- die Bezahlung während der Ausbildung spielt hingegen meines Erachtens nur eine untergeordnete Rolle; es gibt Kanzleien, die ihre Kandidaten auf jede mündliche Verhandlung und zu jeder Besprechung mitnehmen, was die Qualität der Ausbildung deutlich verbessert, sie aber für die Kanzlei auch deutlich teurer macht. Dies kann sich auch in der Höhe der Vergütung niederschlagen.
 
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