Feststellungsinteresse für negative Feststellungsklage?

Formstein

Schreiber
Fall:
A hat ein in Kraft befindliches Patent P.

Patentanwalt C hat für Firma B ein Gutachten dazu angefertigt, ob ihr Produkt D das Patent P verletzt. Ergebnis des Gutachtens: Falls A die Firma B verklagen würde, würde der Ausgang des Verletzungsverfahrens letztlich davon abhängen, ob das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass D gerade noch im Äquivalenzbereich von P liegt.

Das ist B viel zu riskant; andererseits möchte B das gutgehende Produkt nur dann aus dem Sortiment nehmen, wenn es unbedingt sein muss. B hat schon versucht, sich mit A irgendwie zu verständigen; A will aber keine rechtlichen Fragen erörtern, Vereinbarungen treffen oder Erklärungen abgeben.

Um Rechtssicherheit zu bekommen, wäre B bereit, eine negative Feststellungsklage zu erheben und auch die Kosten für diesen Prozess zu zahlen.

Irgendjemand von B findet im Kommentar: Rechtliches Interesse für negative Feststellungsklage fehlt, wenn lediglich eine Stellungnahme zur Frage abgelehnt wird, ob der Benutzer das Patent verletzt (§ 139 Rn 136, Schulte 6. Auflg.).

Frage:
Welche Möglichkeiten hat B, Rechtssicherheit bekommen, ohne die Herstellung des Produkts D aufzugeben?
 
G

GAST_DELETE

Guest
Der Kraßer, 5. Auflage, S. 911, 1. Absatz, verweist auf:

"Zum erforderlichen Festellungsinteresse OLG Düsseldorf 8. 6. 2000, Mitt. 2000, 369" am Ende des Satzes:

"Wer wegen ... oder aus sonstigen Gründen befürchten muß, demnächst verklagt zu werden, kann durch Klage die Feststellung beantragen, daß er das Schutzrecht nicht verletzt (negative Festellungsklage)."

Wenn man in Mitt. 2000 dann nachschaut, handelt es sich um "ZPO §256 - Human-Interferon-alpha".

Die Leitsätze abzutippen habe ich jetzt keine Lust. Außerdem solltest Du die Argumentation im Urteil lesen, ob und wie Du in Deinem Fall entsprechend argumentieren könntest.
 
G

Gast2

Guest
Gast schrieb:
... handelt es sich um "ZPO §256 - Human-Interferon-alpha".
Das geht in die Richtung. Allerdings konnte das Gericht bei dem Human-Interferon-alpha-Fall von einer stillschweigenden Berühmung für den deutschen Teil des europäischen Patents ausgehen. Die Ausgangssituation ist also doch anders.

"1. Macht der Patentinhaber in einem ausländischen Rechtsstreit mit dem Kläger geltend, dessen Arzneimittelpräparat verletze die in dem dortigen Verfahren streitbefangenen neun von insgesamt elf nationalen Teile eines europäischen Patents, so kann darin zugleich die - stillschweigende - BERÜHMUNG liegen, das betreffende Präparat verletze auch den (prinzipiell nach denselben rechtlichen Regeln auszulegenden) DEUTSCHEN Teil des europäischen Patents.
2. In einem solchen Fall ist ein rechtliches Interesse des mutmaßlichen Verletzers anzuerkennen, die Frage der Patentbenutzung im Wege einer negativen Feststellungsklage klären zu lassen ...
OLG Düsseldorf, Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 U 55/99 - nicht rechtskräftig"
 
P

Plempi

Guest
"Ergebnis des Gutachtens: Falls A die Firma B verklagen würde, würde der Ausgang des Verletzungsverfahrens letztlich davon abhängen, ob das Gericht zu der Ansicht gelangt, dass D gerade noch im Äquivalenzbereich von P liegt."

D.h. es ist nicht eindeutig, ob eine Verletzung vorliegt. Wie wäre es, wenn B es deshalb darauf ankommen lässt, und um einer EV vorzubeugen, bei allen Landgerichten in DE eine Schutzschrift in achtfacher Ausfertigung hinterlegen lässt, falls es eine Angelegenheit in DE ist. In manchen anderen Ländern werden die Schutzschriften der Gegenseite zugestellt, ohne dass diese Klage eingereicht hätten, die Schutzwirkung ist gleich, nur der Überraschungseffekt fehlt.
 
G

Gast2

Guest
Plempi schrieb:
wenn B es deshalb darauf ankommen lässt, und um einer EV vorzubeugen, bei allen Landgerichten in DE eine Schutzschrift ...
Vielleicht gut, um einer EV zuvorzukommen. Aber was würde das am geschäftlichen Risiko eines Hauptsacheverfahrens ändern, wenn am Schluss der gesamte Gewinn herauszugeben ist?
 
P

Plempi

Guest
Dazu müsste man den Fall näher kennen. Es ist laut Eingangsformulierung nicht eindeutig klar, wie das Gericht entscheiden würde. Die Schutzschrift bietet auch eine Art "Rechtssicherheit", die bei negativem Ausgang nur vorübergehend war. Aber die Rechtsbeständigkeit des Patents ist auch nicht eindeutig geklärt, wobei sich zusätzliche Möglichkeiten ergeben.

Eines aber ist ganz klar: sollte im Rahmen einer negativen Feststellungsklage das Urteil negativ sein, dann liegt aber eine Patentverletzung vor. Das kommt einer gewonnen Klage von A gegen B gleich und das Ergebnis ist das von Gast2 zuletzt angesprochene.

Und wenn der Patentanwalt in seinem Gutachten eine Patentverletzung nicht eindeutig verneinen kann, dann sollte man vielleicht gar nicht von einer negativen Feststellungsklage sprechen. Lediglich die Bezeichnung Feststellungsklage wäre angebrachter.

Deswegen ist die Antwort auf die Eingangsfrage nicht ganz einfach. Denn mit einem solchen Gutachten kann man wenig anfangen. Soweit ich das sehe ist A im Gegensatz zu B keine Firma, die Rechtsbeständigkeit des A-Patents ist nicht geklärt und der Patentanwalt von Firma B ist sich über das Vorliegen einer Verletzung aufgrund einer nicht absehbaren Entscheidung der Richter nicht sicher. Schwierige Situation für B.

Normal kauft man dann das Patent oder reicht eine Nichtigkeitsklage ein oder investiert einen Teil des Gewinns für die Mafia, die A nahe legt, gegen die Firma B nicht vorzugehen.
 
J

Jap

Guest
Plempi schrieb:
investiert einen Teil des Gewinns für die Mafia, die A nahe legt, gegen die Firma B nicht vorzugehen.
Die Empfehlung dazu kommt natürlich nicht vom Patentanwalt, der als Organ der Rechtspflege bei der Rechtsberatung an die Gesetze gebunden ist.
 
G

gast2000

Guest
Plempi schrieb:
Eines aber ist ganz klar: sollte im Rahmen einer negativen Feststellungsklage das Urteil negativ sein, dann liegt aber eine Patentverletzung vor.
Ähh...bist Du Dir da sicher? Das negative Ergebnis der negativen Feststellungsklage lautet doch, dass nicht festgestellt werden kann, dass das Patent nicht verletzt wird (schöne Kette mehrerer Verneinungen!). Das ist aber nach meinem Verständnis nicht gleichbedeutend mit einer Patentverletzung.
 
P

Plempi

Guest
Mit einer negativen FK soll das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden.

Das negative Ergebnis einer negativen FK stellt das Bestehen eines RVs fest. Und eben dieses Feststellungsurteil besagt, dass eine Patentverletzung vorliegt.
 
L

Logikversucher

Guest
Huch, ein Fehlklick. Also, Fortsetzung:

schluss, da ein Patent binär nur entweder verletzt oder nicht verletzt sein kann, dass eine Verletzung vorliegt.
 
G

gast

Guest
Plempi schrieb:
Das negative Ergebnis einer negativen FK stellt das Bestehen eines RVs fest. Und eben dieses Feststellungsurteil besagt, dass eine Patentverletzung vorliegt.
Nein. Nur der Urteilstenor erwächst in Rechtskraft. Entweder lautet der: "es wird festgestellt, dass das Patent Nr. ... durch die Ausführungsform .... nicht verletzt wird".

Oder "Die Klage wird abgewiesen." Es kann ja sein, dass der Kläger nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts die Nichtverletzung beweisen konnte, wenn das Gericht Zweifel hat, weist es die Klage ab.
 
P

Plempi

Guest
@ Gast

"Oder "Die Klage wird abgewiesen." Es kann ja sein, dass der Kläger nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts die Nichtverletzung beweisen konnte, wenn das Gericht Zweifel hat, weist es die Klage ab."

Heisst das nicht, auch wenn ich meine Ausführungen nicht in diese Richtung erläutert habe, dass im Falle einer Verletzungsklage des Beklagten der neg FK die Verletzung des Patentes durch die besagte Ausführungsform festgestellt werden müsste, da eine Nichtverletzung nicht bewiesen werden konnte?
 
G

gast2000

Guest
@logikversucher:

Betreffend der Patentverletzung gilt sicher "tertium non datur". Aber (wie auch gast schon bemerkte): Das ist ja nicht Gegenstand der Entscheidung in der negativen Feststellungsklage; da lauten die Alternativen nämlich anders:

a) Wir entscheiden: Das Patent ist nicht verletzt.
b) Wir entscheiden nicht: Das Patent ist nicht verletzt.

Und Alternative b) heißt eben nicht zwingend: Das Patent ist verletzt. Es kann auch heißen: Wir wissen es nicht. Das "tertium" versteckt sich sozusagen...;-)
 
G

gast

Guest
Plempi schrieb:
@ Gast

Heisst das nicht, auch wenn ich meine Ausführungen nicht in diese Richtung erläutert habe, dass im Falle einer Verletzungsklage des Beklagten der neg FK die Verletzung des Patentes durch die besagte Ausführungsform festgestellt werden müsste, da eine Nichtverletzung nicht bewiesen werden konnte?
Akad. Beispiel: Um eine neg. FK zu gewinnen genügt es doch zu beweisen, dass eines von 25 Merkmalen des Hauptanspruchs durch die Verletzungsform nicht verwirklicht ist. Ich kann einen Klageantrag entsprechend formulieren. Das Gericht entscheidet dann, ob es so ist. Wenn das Gericht bei der Prüfung nun zu der Auffassung gelangt, dieses einen Merkmal sei durch die Verletzungsform doch verwirklicht, muss es die neg FK abweisen. Heißt das automatisch, dass das Patent verletzt ist? Nein, weil der Anspruch noch 24 weitere Merkmale enthält, die von der Verletzungsform verwirklicht sein können. Hierzu wurde vom Klagenden nichts vorgetragen. Gericht hat also gar nicht die Möglichkeit, eine Verletzung festzustellen. Dies ginge nur dann, wenn der Beklagte seinerseits Leistungswiderklage erhebt.
 
G

Gast2

Guest
gast schrieb:
Dies ginge nur dann, wenn der Beklagte seinerseits Leistungswiderklage erhebt.
Was B will, ist doch irgendwie legitim, also sollte es doch einen rechtlichen Weg geben, ihm zu helfen:
B möchte frühzeitig Rechtssicherheit darüber bekommen, ob eine Verletzung von D vorliegt, und damit ein gesetzliches Rechtsverhältnis zwischen A und B besteht, um nicht im späteren Verlauf der Produktlaufzeit von einer Verletzungsklage überrascht zu werden. Ok, für Klärung hypothetischer Rechtsfragen gibt es kein Feststellungsinteresse. Dann müsste er eben eine kleine wirtschaftlich unriskante Stückzahl benutzen, was wohl schon der Fall ist ("im Sortiment"). So besteht schon eine reale Verletzung und ein Rechtsverhältnis oder nicht, und das möchte B festgestellt haben.

Könnte in solch einem Fall neben einem Feststellungsinteresse für eine neg. Feststellungsklage zusätzlich auch ein rechtliches Interesse für eine pos. Feststellungsklage bestehen, so dass B über zwei Klagen Rechtsicherheit darüber bekommen kann, ob sich in der Zurückweisung tatsächlich ein tertium versteckt?
 
P

Plempi

Guest
Firma B + PA können doch schon im eigenen Interesse nicht darauf ausgerichtet sein, eine Klageabweisung oder ein hinsichtlich der Patentverletzung durch die konkrete Ausführungsform unbrauchbares Feststellungsurteil zu erhalten, weil sie zum Fall mangelnde Informationen bei Gericht einreichen.

Und um von Spitzfindigkeiten wie neg FK wegzukommen; bei einer FK wird festgestellt ob ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht, d.h. ob das Patent durch die Ausführungsform verletzt wird oder nicht verletzt wird. Wieso sollte also die Klage abgewiesen werden?

Firma B sollte eine FK und nicht neg FK verfolgen. Und das Feststellungsinteresse liegt in diesem Fall schon aus wirtschaftlichem Verständnis auf der Hand. Zudem könnte doch Firma B den Patentinhaber A zum Informationsaustausch auffordern, und zwar unter Androhung der Auferlegung sämtlicher Kosten sowie einer FK, falls innerhalb einer angemessenen Frist keine Reaktion erfolgt. Ist das legitim? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten zur Klärung eines etwaigen bestehenden Rechtsverhältnisses, wenn die Gegenseite nicht reagiert?
 
G

GAST_DELETE

Guest
Plempi schrieb:
Und um von Spitzfindigkeiten wie neg FK wegzukommen; bei einer FK wird festgestellt ob ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht, d.h. ob das Patent durch die Ausführungsform verletzt wird oder nicht verletzt wird. Wieso sollte also die Klage abgewiesen werden?

Firma B sollte eine FK und nicht neg FK verfolgen. Und das Feststellungsinteresse liegt in diesem Fall schon aus wirtschaftlichem Verständnis auf der Hand.
Unabhängig davon, ob B als potentieller Verletzer ein Feststellungsinteresse hat, für eine FK fehlt es an der Aktivlegitimation. FK durch B ist unzulässig. Eine solche könnte nur A erheben, für eine reine Feststellungsklage ist aber im Patenverletzungsstreit in der Regel kein Raum, weil eigentlich immer Leistungsklage (auf Unterlassen) erhoben werden kann.

Plempi schrieb:
Zudem könnte doch Firma B den Patentinhaber A zum Informationsaustausch auffordern, und zwar unter Androhung der Auferlegung sämtlicher Kosten sowie einer FK, falls innerhalb einer angemessenen Frist keine Reaktion erfolgt. Ist das legitim? Oder gibt es noch andere Möglichkeiten zur Klärung eines etwaigen bestehenden Rechtsverhältnisses, wenn die Gegenseite nicht reagiert?
Abmahnen und zu einer Erklärung auffordern wäre u.U. eine Möglichkeit, mit der man sich befassen könnte...Möglicherweise kann man dadurch das Feststellungsinteresse begründen.
 
G

Gast2

Guest
Gast schrieb:
Abmahnen und zu einer Erklärung auffordern wäre u.U. eine Möglichkeit, mit der man sich befassen könnte...Möglicherweise kann man dadurch das Feststellungsinteresse begründen.
Das kann wohl nur funktionieren, wenn B gegen A eine Art "Erklärungs"anspruch hat. Aus welcher Norm könnte er hergeleitet werden?
 
Oben